Das neue Zielbild Wasserstoff zeigt, wie sich die Thüga-Gruppe im dynamischen Wasserstoffmarkt positionieren kann. Über neue Geschäftsfelder und Handlungsempfehlungen spricht Wasserstoffexpertin Béatrice Angleys aus dem Thüga-Kompetenzcenter Innovation.

Frau Angleys, wie ist das Zielbild Wasserstoff entstanden?

Thüga hat das Projekt konzipiert und zehn Partnerunternehmen um ihre Mitarbeit gebeten. Alle zehn haben für mehrere Monate wirklich hochkarätige Leute zur Verfügung gestellt, die gemeinsam mit einem interdisziplinären Team der Thüga das Zielbild in Workshops entwickelt haben. Das war für mich Thüga-Zusammenarbeit par excellence. Jetzt haben wir einen ersten Aufschlag für einen gemeinsamen Blick auf unsere Zukunft mit Wasserstoff, den wir als nächstes in die ganze Gruppe tragen müssen. Und der schwierige Teil der Operationalisierung liegt nun vor uns.

Welche Empfehlungen leiten sich aus dem Zielbild ab?

Wir haben drei Fokusbereiche herausgearbeitet, die eng miteinander verzahnt sind. Kurzfristig ist es wichtig, die Kommunikation zur Bedeutung klimafreundlicher Gase an allen Ecken und Enden zu intensivieren. Dazu gehört, die Rahmenbedingungen durch politische Interessensvertretung zu gestalten und zunehmend auch, die kommunalen Stakeholder einzubeziehen. Punkt zwei: strategische Umsetzungsprojekte. Wenn es uns gelingt, H2-Projekte vor Ort aufzubauen, zeigen wir die technische Machbarkeit und setzen klare Zeichen Richtung Politik. Punkt drei sind die Hausaufgaben im Bereich Infrastrukturplanung. Hier sagen wir: Macht einen Gasnetzgebietstransformationsplan, bringt die kommunale Wärmeplanung voran. Auf dieser Basis lassen sich Ankerkunden identifizieren, an denen sich Umsetzungsprojekte orientieren können.

Zielszenario 2040 – wie müssen sich Energieversorger in den kommenden 28 Jahren weiterentwickeln?

Energieversorger müssen sich von Anfang an als zentrale Ansprechpartner rund um Wasserstoff und klimaneutrale Gase positionieren. EVU sind „Enabler“, Macher auf lokaler Ebene, die den Hochlauf von Wasserstoff aktiv mitgestalten – von der Planung der künftigen Energieversorgung der Kommune über Quartiersentwicklung bis hin zur Dekarbonisierung von Ankerkunden aus Gewerbe und Industrie. Gerade in der Anfangsphase braucht es Personen oder Unternehmen, die verschiedene Initiativen und Aktivitäten vor Ort bündeln, damit diese nicht ins Leere laufen.

Welche Rolle spielen dabei Umsetzungsprojekte?

Über Pilotprojekte kann gemeinsam mit Ankerkunden ein Nukleus aufgebaut werden. Später lässt sich das Ökosystem erweitern, sodass zunehmend verbundene Systeme entstehen und ein EVU bis 2040 zum H2 Rundumversorger werden kann. Gerade im dezentralen Bereich können sich EVU entlang der gesamten Wertschöpfungskette positionieren. Trotzdem muss zum jetzigen Zeitpunkt nicht jedes EVU ein Umsetzungsprojekt haben: Strategisch ausgewählte Pilotprojekte bringen die ganze Gruppe voran.

Grafik Wasserstoff als Zukunftsfeld für kommunale Versorgung, aus Zielbild H2

Das Projektteam hat die Relevanz von Geschäftsmodellen bewertet. Was bringt künftig die Kasse zum Klingeln?

Erzeugung, Verteilung und Vertrieb von Wasserstoff in den verschiedenen Anwendungsbereichen. Nehmen wir die dezentrale Wasserstofferzeugung. Sie ist besonders in Regionen, die kurz- bis mittelfristig nicht an den H2-Backbone angeschlossen werden, ein relevantes Aktivitätsfeld für kommunale Versorger. Nebenbei sind so auch die Themen Energieautarkie und Netzstabilisierung durch H2-Speicherung abgedeckt. Das Geschäftsfeld Netzbetrieb ergibt sich bei Thüga-Partnerunternehmen als logische Fortführung bestehender Assets, sei es mit einer H2-Beimischung ab den 2020er-Jahren bis hin zu ersten Netzgebieten, die ab 2030 auf reinen Wasserstoff umgestellt werden.

Also jetzt aktiv werden?

Wir brauchen mutige Umsetzungsprojekte! Wegen der vielen Fragezeichen in den regulatorischen Rahmenbedingungen muss hier allerdings sorgfältig abgewogen werden. Solche strategisch ausgewählten Projekte sollten langfristig wirtschaftlich sein oder einen signifikanten Demonstrationscharakter haben. Die klare Empfehlung lautet, die Planungshausaufgaben zu erledigen und eine Ertüchtigungsstrategie für die Netze aufzubauen. Erst wenn die regulatorischen Rahmenbedingungen klarer sind, also hoffentlich ab der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre, sollte investiert werden.

Ein H2-Hochlauf ist ein Marathon, kein Sprint. Wir dürfen nicht gleich zu Beginn alle Ressourcen verpulvern, sondern müssen sie als Gruppe bündeln und jeden Euro und jede Personalie gut einsetzen. Dafür planen wir aktuell Unterstützungsmaßnahmen für die Partnerunternehmen, zum Beispiel im Bereich Fördermittelakquise.