// Update // 17.06.2021: Kohleausstieg in Pforzheim geschafft

Mit der Einweihung von fünf neuen Gasmotoren im Heizkraftwerk haben sich die Stadtwerke Pforzheim im Juni 2021 endgültig von der Energieerzeugung aus Kohle verabschiedet.

Das Heizkraftwerk Pforzheim generiert mit der modernen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage zum einen Strom, zum anderen nutzen etwa 20.000 Haushalte in und um die Stadt die entstehende Abwärme als Fernwärme. Der regionale Energieversorger schätzt, dass der Betrieb mit Gas jährlich etwa 35.000 Tonnen CO2 einspart. Der Gesetzgeber hat für das Abschalten von mit Kohle betriebenen Anlagen das Jahr 2038 als Frist gesteckt.

Thüga begleitete das Erzeugungsprojekt von Projektmanagement-Seite aus. Prinzipiell berät der Stadtwerkeverbund Partnerunternehmen bei der Entwicklung einer ganzheitlichen Erzeugungsstrategie, unterstützt bei Potenzialanalysen sowie Investitionsentscheidungen und bietet eine Koordinationsfunktion bei Großprojekten.


Im Sommer 2020 verabschiedete der Bundestag das Gesetz zum Kohleausstieg, spätestens 2038 geht das letzte deutsche Kohlekraf­t­werk vom Netz. Zum Wandel in der Energie­erzeugung und für das Zusammenspiel mit den Erneuerbaren braucht es den Umbau vieler Kraftwerke – momentan eine lohnende Investition dank Förderungen. Thüga-Partner­unternehmen wie zum Beispiel in Pforzheim und Kaiserslautern machen ihre Anlagen zukunftsfähig.

Majestätisch schwebt der dunkelgraue Stahlkoloss über die Baustelle. 53 Meter lang und 28 Tonnen schwer ist der neue Schornstein für das Heizkraftwerk Pforzheim, der im Juli seinen Platz im Rohbau findet. Ein wichtiger Schritt im Bauverlauf, ein noch größerer für die Heizkraftwerk Pforzheim GmbH (HKW): „Dank der neuen Gasmotoren kann Pforzheim bereits 2022 aus der Kohleverbrennung aussteigen und so jährlich rund 35.000 Tonnen CO2 einsparen“, sagt Martin Seitz, HKW-Geschäftsführer und Gesamt­projektleiter. Ab 2022 liefern anstelle des bisherigen Steinkohleblocks fünf Gasmotoren mit je zehn Megawatt elektrischer Leistung – das entspricht fünfmal etwa 13.600 PS – Strom und Wärme für die Pforzheimer. Die Wärmeproduktion der bisherigen Anlage decken die Gasmotoren vollständig ab, gleichzeitig steigt der Stromertrag. Rund zwei Drittel der Investitionssumme von 75 Millionen Euro sind im Sinne des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes (KWKG) förderfähig.

Der Schornstein des HKW Pforzheim schwebt zum Einbau.

Gesammelt gefördert

120 Kilometer entfernt sieht der aufmerksame Beobachter auf der Kraftwerksbaustelle der Stadtwerke Kaiserslautern (SWK) vom Kohleausstieg nur ein neu errichtetes Umspannwerk. Die neuen KWK-Anlagen finden in einem bestehenden Gebäude Platz, das vorher einen Kohlekessel beherbergte. Seit Anfang 2020 laufen die Umbauarbeiten am Heizkraftwerk, um zukünftig mit vier neuen Gasturbinen Strom und Wärme für Kaiserslautern zu produzieren. „Die Kraftwerksmodernisierung ist das größte Einzelprojekt in der mehr als 125-jährigen Geschichte unseres Unternehmens“, sagt Heribert Kowatsch, Projektleiter Kraftwerksmodernisierung bei SWK. „Das Projekt stellt die Weichen für den zukünftigen Kraftwerksbetrieb – weg von der Kohleverbrennung hin zu einem hocheffizienten Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk.“ Die heißen Abgase der Gasturbinen erzeugen in den Abhitzekesseln zusätzlich Dampf, dieser wiederum treibt vorhandene Dampfturbinen an und generiert ebenfalls Strom. Sind neue und bestehende Anlagen wie in Kaiserslautern über eine Dampfsammelschiene verbunden, greifen neue Fördermöglichkeiten des KWKG – je nach elektrischer Leistung und Investitionsvolumen. Unter den Konditionen, die die SWK wählte, erwarten sie bei einer Investition von bis zu 65 Millionen Euro eine Fördersumme von etwa 50 Millionen Euro. Auch hier soll die neue KWK-Anlage 2022 den Betrieb aufnehmen.

Maßgeschneiderte Energie

Der Kohlekessel ist bereits ausgebaut, bald ersetzen ihn in dieser Halle im HKW Kaiserslautern vier Gasturbinen.

Der Kohlekessel ist bereits ausgebaut, bald ersetzen ihn in dieser Halle im HKW Kaiserslautern vier Gasturbinen.

Thüga unterstützt die Partnerunternehmen in ihren Kraftwerksprojekten von Anfang an. Wenn gewünscht, bewerten die Projektteams, ob sich eine Investition rentiert und empfehlen die strategisch optimale Lösung für den Kohleausstieg des jeweiligen Stadtwerks. Das können beispielsweise Gasturbinen sein, für die sich die SWK entschieden, oder Gasmotoren wie im HKW Pforzheim. Letztere sind schnellstartfähig, um Strom bedarfsgerecht in den Markt zu bringen. „Die Pflicht ist die Sicherstellung der Fernwärmeversorgung in Pforzheim, die Kür ist, bei Bedarf am Strommarkt schnell und flexibel Strom zu erzeugen. Damit passen die Motoren optimal in das momentane energiewirtschaftliche Umfeld“, betont Seitz.
Geht die regenerative Stromproduktion aus Sonnen- oder Windenergie aufgrund des Wetters zurück, greift die KWK-Anlage ein. Flexiblere Erzeugung bedeutet höhere Erlöse, erfordert aber auch eine ausgeklügelte Steuerung. Dieser Trend wird vor allem aufgrund des Ausbaus erneuerbarer Energien stark zunehmen. Schon 2017 unterstützte die Thüga das HKW Pforzheim dabei, eine Software zu implementieren, die Kraftwerksfahrweisen optimiert.
Sowohl die neue Gasmotorenanlage in Pforzheim als auch das Kraftwerk in Kaiserslautern lassen sich mithilfe von Kraftwerkseinsatzprogrammen steuern. Beispielsweise gleicht die Software im HKW Pforzheim quasi in Echtzeit alle relevanten externen Informationen wie Preis- oder Temperaturprognosen mit Bedingungen des Kraftwerks wie Bezugsverträgen oder gesetzlichen Vorschriften ab und ermöglicht so eine effiziente und bedarfsgerechte Fahrweise.

In Eigenregie

Neben maßgeschneiderten Lösungen verlangen Großprojekte wie Kraftwerksumbauten ein hohes Maß an Koordination. Das Thüga-Projektmanagement unterstützt Stadtwerke dabei, ein solch hochkomplexes Projekt in Eigenregie durchzuführen. „Es funktioniert nicht, einen Generalunternehmer zu beauftragen und zwei Jahre später zur Schlüsselübergabe wieder zu kommen“, sagt Andreas Sautter, Leiter Kompetenzteam Erzeugung bei Thüga. „Durch die vielen verschiedenen Teilprojekte erhöht sich die Komplexität des Gesamtprojekts enorm.“

Fundament für erfolgreichen ausstieg

Je nachdem, was das Partnerunternehmen benötigt, übernimmt Thüga als Projektpartner zum Beispiel den engen Kontakt zu und zwischen den Schnittstellen, um den Informationsfluss sicherzustellen und die Arbeitsschritte effizient abzuwickeln. Darüber hinaus bietet Thüga an, im Genehmigungsverfahren zu unterstützen, behält den Kosten- und Zeitplan im Blick und berichtet den Projektstatus an die Entscheiderebene in den beteiligten Unternehmen. Bei allem hilft ein übergreifender und vergleichender Blick. Sautter: „In der Regel macht ein Stadtwerk so ein Großprojekt einmal in 40 Jahren. Als Thüga begleiten wir jedoch viele Stadtwerke und gewinnen mit jedem Projekt zusätzliche Expertise.“ Das ideale Fundament für einen erfolgreichen Kohleausstieg der Thüga-Partner.