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Wie das Jahrhundertprojekt Energiewende auf die Straße bringen? Zu den wichtigsten Playern gehören Kommunen und Stadtwerke.
Teil 2 des Interviews | Anne Rethmann, Finanzvorständin der Thüga, und Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, sprechen über Finanzierung, Gestaltungsfreiheit vor Ort und Akzeptanz. Das Gespräch moderierte Dr. Detlef Hug, Leiter Thüga-Öffentlichkeitsarbeit.
Wie wichtig ist die soziale Gerechtigkeit bei der Umsetzung der Energiewende?
H.D.: Wir sprechen uns ausdrücklich für ein Klimageld aus, das sich an sozialen Kriterien ausrichtet. Es geht darum, dass die Menschen je nach Einkommen unterschiedlich zur Umsetzung von Energie- und Wärmewende als auch der Verkehrswende beitragen. Wir werden die Menschen nur mitnehmen, wenn die großen Veränderungen auf Akzeptanz stoßen. Und das hat nun mal auch eine finanzielle Seite. Das ist eine Aufgabe der neuen Bundesregierung.
A.R.: Dem stimme ich voll zu. Wir sprechen ja nicht nur von Akzeptanz. Manchen Menschen tut es finanziell wirklich weh, zusätzliche Energiekosten zu tragen. Der Staat muss die soziale Gerechtigkeit im Auge haben und die richtigen Prioritäten setzen.
Viele Kommunen sind gerade bei der Kommunalen Wärmeplanung. Herr Dedy, wie ist der Stand der Dinge?
H.D.: Wir sind bei der Wärmeplanung auf einem ganz guten Weg – die Umsetzung wird eine enorme Herausforderung. Fernwärme auszubauen funktioniert gut in einer Stadt, die schon 50 Prozent hat und auf 70 Prozent gehen will. Das ist etwas völlig anderes als in einer Stadt, die bisher weitgehend mit Erdgas versorgt wurde. Da stellt sich die Frage: Rentiert sich das und ab wann? Daraus resultieren auch wieder Finanzierungsanforderungen. Wir müssen das sorgfältig und für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar planen und deutlich machen, dass es am Ende für sie besser wird. Wir graben die Städte um, der Alltag der Menschen ist oft längere Zeit durch Baustellen beeinträchtigt. Hinterher schütten wir die Straßen wieder zu – und die Menschen stellen dann fest, dass es weiterhin ‚nur‘ warm ist? Es geht darum, dass die Straße oder das Quartier auch lebenswerter werden. Ich spreche über mehr Grün und hier und da einen Radweg mehr. Da ist buchstäblich noch richtig viel Dampf drin.
Frau Rethmann, wie sehen Sie das Thema Wärmewende aus Finanzierungssicht?
A.R.: Bei der Erweiterung des Fernwärme-Netzes sind die Aufwände andere als beim Bau eines komplett neuen Wärmenetzes. Das ist wirtschaftlich viel schwerer darstellbar. Die Finanzierung läuft über einen sehr langen Zeitraum, das Stadtwerk bekommt aber lange keine Rückflüsse und die Höhe der Rückflüsse hängt von der Anzahl der Anschlüsse an das Wärmenetz ab. Ohne gewisse Renditeanforderungen wird die Finanzierung dieser Um-stellung nicht klappen.
Was brauchen die Stadtwerke?
A.R.: Die Unternehmen der Thüga-Gruppe blicken mit einer gewissen Skepsis auf die Rahmenbedingungen. Wird zum Beispiel Fernwärme reguliert werden? Wie genau wird die BEW geregelt, in welchem Umfang aufgestockt? Die Stadtwerke brauchen verlässliche Rahmenbedingungen und finanziell attraktive Investitionsbedingungen.
Herr Dedy, welche Kernforderungen ergeben sich daraus für Sie an die neue Bundesregierung?
H.D.: Wir brauchen Planungssicherheit, polarisierte Debatten bringen uns nicht weiter. Ich wünsche mir mehr Konsens bei den grundlegenden Zielsetzungen. Und wir Kommunen haben einen dramatischen finanziellen Engpass. Alle Kommunen in der Bundesrepublik zusammengenommen schlossen 2024 mit einem Rekord-Defizit von rund 25 Milliarden Euro ab. Wir brauchen eine andere Finanzausstattung, um den Investitionsstau abbauen zu können. Außerdem: Wir möchten vor Ort gestalten können. Wir nennen das Beinfreiheit. Sie sagen vielleicht Bürokratieabbau dazu. Letztlich ist das eine Frage, wenn man pathetisch werden will, von Vertrauen in lokale Demokratie. Dieses Vertrauen ist auf Bundes- und Länderebene ausbaufähig.
Frau Rethmann, können Sie sich dem anschließen?
A.R.: Ja. Die Herausforderungen sind zwar überall ähnlich, aber die Umsetzung ist je nach Kommune grundverschieden. Die Kommunen und die Stadtwerke haben ein großes Wissen vor Ort, das lässt sich nicht deutschlandweit denken. Stichwort Bürokratieabbau: Wir müssen zum Beispiel bei der Nachhaltigkeit auf dem richtigen Weg bleiben, aber dabei darf die Berichtspflicht nicht überborden. Es gilt, dabei den wirtschaftlichen Aspekt im Auge zu behalten. Und wir brauchen für langfristige Investitionen dauerhafte Klarheit, zum Beispiel bei der Kraft-Wärme-Kopplung. Auch das Kraftwerkssicherheitsgesetz treibt uns um.
Noch ein Wort zum Schluss?
A.R.: Wir müssen an vielen Stellen pragmatisch loslegen. Die Dinge tun, die richtig sind. Anpacken. Wenn wir am Ende des Tages nicht 100 Prozent erreichen, sondern die berühmten 80 Prozent, haben wir viel geschafft, über das wir uns freuen können.
H.D.: Ich möchte betonen, dass wir in Bezug auf neue Kapitalgeber offen sind. Wichtig ist uns aber, dass die Stadtwerke in kommunaler Hand bleiben. Ein Ausverkauf wäre für uns nicht akzeptabel. Ich glaube, das wäre für die Menschen in den Städten auch kein gutes Ergebnis.
Gemeinsam für die Regionen!
Den Deutschen Städtetag und die Thüga verbindet eine gemeinsame Motivation – Mehrwert schaffen durch Zusammenarbeit und Austausch, Interessenvertretung der Mitglieder auf dem deutschen und europäischen Parkett. Der Städtetag hat die Interessen der Kommunen im Fokus, die Thüga die der städtischen und regionalen Energieversorger, an denen die Kommunen meist mehrheitlich beteiligt sind. Die Herausforderungen überschneiden sich, vor allem bei der Finanzierung der Energie- und Wärmewende.