„Candidate Journey“ – Das ist nicht das neueste Pauschalreiseschnäppchen, sondern ein strategischer Weg, dem Fachkräftemangel zu begegnen. netzwerk hat mit den Thüga-Recruiting-Verantwortlichen über veränderte Vorzeichen im Arbeitsmarkt und mögliche Abhilfe gesprochen.

Weniger ist mehr? Nicht bei Bewerber:innen. Eine Generation geht in den Ruhestand, Fachkräfte fehlen. Unternehmen müssen diesem Wandel mit einer neuen Strategie begegnen, weiß Heike Fink, Recruiterin bei Thüga: „Die Menschen möchten sinnstiftend arbeiten; vielen ist wichtig, sich mit ihrem Job zu identifizieren.“

Vertauschte Rollen

Die vergleichsweise wenigen Bewerber:innen auf dem Markt wollen ganz sicher sein, die richtige Wahl zu treffen. „Jetzt müssen wir uns als Unternehmen bei den Jobsuchenden bewerben“, sagt Pascal Aschoff, Leiter Recruiting. Thüga setzt den Perspektivwechsel um, indem sie Jobinteressierte von Beginn mit vielen Informationen zum Unternehmen versorgt. Das ist der Startpunkt der „Candidate Journey“, der Reise der Jobinteressierten von erstem Kontakt zum ersten Arbeitstag. „Wir stellen uns die Frage: Was würden wir gerne von potenziellen Mitarbeitenden wissen? Denn das wollen sie genauso von uns erfahren“, sagt Aschoff. Schon die Stellenanzeigen sollten entsprechend gestaltet sein. Auch auf der Karriereseite der Firmen-Homepage setzt Thüga auf maximale Transparenz, teilt Werte, Weiterbildungsangebote und Mitarbeitervorteile.

Recruiting undercover

Neben der Mentalität wandeln sich die Kanäle der Bewerberansprache. „Früher haben wir uns auf eine Jobbörse konzentriert, heute wählen wir je nach Stelle einen Mix aus allgemeinen und spezialisierten Portalen“, sagt Aschoff. Über klassische Ausschreibungen werden nur noch ein Fünftel der Stellen besetzt. Für den Rest nutzt Thüga das sogenannte Active Sourcing. Das heißt, die Personalkolleg:innen suchen anhand der Profile in Karrierenetzwerken wie Xing oder LinkedIn potenzielle Kandidat:innen und machen sie per Direktnachricht auf eine Vakanz aufmerksam. Der Vorteil: Sie erreichen damit Menschen, die nicht aktiv auf Jobsuche sind – der „verdeckte Arbeitsmarkt“. Auf LinkedIn postet das PE-Team Aktuelles über Thüga, sodass Interessierte das Unternehmen kennenlernen können. Neben digitalen Kanälen funktioniert Mundpropaganda: „Mit dem Empfehlungsprogramm ‚Mitarbeitende werben Mitarbeitende‘ haben wir immer wieder Erfolg, denn darüber bekommen Interessierte Infos aus erster Hand“, ergänzt Aschoff.

Nachwuchs dringend gesucht

Ein Spezialfall sind potenzielle Auszubildende, Studierende und Absolvent:innen. „Die Nachwuchskräfte müssen wir bereits an Schulen und Hochschulen für uns gewinnen“, sagt Fink. Dazu erzählen die Thüga-Azubi-Scouts an Schulen über ihren Ausbildungsberuf und auf LinkedIn zeigt ein Video den Azubi-Arbeitsalltag. Fink: „Das ist mit wenig Budget schnell umgesetzt.“ Um das Interesse von Studierenden und Absolvent:innen zu wecken, will Thüga vermehrt an Hochschulen präsent sein und anbieten, Abschlussarbeiten im Unternehmen zu begleiten.

Gut gewonnen ist halb gebunden

Ist ein Kandidat gefunden, geht die „Candidate Journey“ weiter. „Schnell zu sein ist das oberste Gebot“, sagt Fink. „Wir laden zum Beispiel innerhalb von 1-2 Tagen zum Vorstellungsgespräch ein.“ Im Bewerbungsformular auf der Thüga-Homepage gibt es keinen Wust an Eingabefeldern, auch Fristen hat Thüga gestrichen: „Sonst wäre unser Wunschkandidat schon wieder weg“, so Aschoff. Per Express sollte auch der Arbeitsvertrag fertig sein – bei Thüga daher digital. Die „Pre-boarding-Phase“ vor dem ersten Tag nutzt Thüga, um den Neuzugang zu binden: „Wir bleiben in Kontakt, ohne zu aufdringlich zu sein, gratulieren vielleicht zum Geburtstag oder schicken schon mal einen Zugang zum Thüga-Campus“, sagt Aschoff. Zum Start sollten sich Führungskraft und Kolleg:innen bewusst Zeit für den neuen Mitarbeiter zu nehmen, auch regelmäßiges Feedback ist wichtig, damit der neue Job erfolgreich wird – und die Candidate Journey zur Traumreise.