Wärmenetzbetreiber müssen bis 2026 eine Transformationsplanung mit einem Konzept der schrittweisen Dekarbonisierung bis 2045 vorlegen. 36 thüringische Fernwärmeversorger haben eine gemeinschaftliche Basis für die Transformationsplanung entwickelt.

Um dem Ziel der klimaneutralen Wärmeversorgung von Gebäuden und Industrie näher zu kommen, soll die Nah- und Fernwärmeversorgung bis 2030 zu mindestens 30 Prozent und bis spätestens 2045 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien oder nicht vermeidbarer Abwärme gewonnen werden. Als Grundlage müssen Versorger für jedes Wärmenetz eine Transformationsplanung erstellen, die das Konzept zur schrittweisen Dekarbonisierung bis 2045 erläutert. Laut Wärmeplanungsgesetz (WPG) in Kombination mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) haben sie dafür bis Ende 2026 Zeit. Angesichts des Umfangs dieser Planung, des bürokratischen Aufwands und der teils langwierigen Vorbereitungen, etwa für Prüfarbeiten für eine mögliche Geothermie, ist das eine anspruchsvolle Zeitvorgabe. Das stellt Betreiber vor eine Mammutaufgabe bei Konzeption, Planung, Finanzierung und Umsetzung. Und: Es gibt keine One-fits-all-Lösung, es braucht passende Konzepte und Planungen vor Ort. „Natürlich muss jeder Wärmeversorger für seine lokal unterschiedliche Infrastruktur und auf Basis der vorhandenen Potenziale an erneuerbaren Energien jeweils individuelle Lösungen finden“, erläutert Christian Dornack, Bereichsleiter Strategie bei den Stadtwerken Jena Netze. „Aber im Grunde stehen wir alle vor den gleichen Herausforderungen. Diese können wir durch eine enge und sektorenübergreifende Zusammenarbeit, einen konstanten Erfahrungsaustausch und das Bündeln von Kompetenzen besser bewältigen.“

Übergeordnete Strategie für Thüringen

Welche Synergien durch eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit entstehen, haben die Thüringer Fernwärmeversorger gezeigt. Thüringen ist noch ambitionierter als der Bund und schreibt das Ziel einer klimaneutralen Fernwärmeversorgung bereits bis 2040 vor. Laut Thüringer Klimagesetz von 2018 sind Fernwärmeversorger verpflichtet, Dekarbonisierungspläne für eine klimaneutrale Fernwärmeversorgung bis 2040 zu erstellen. Bis Ende 2022 waren entsprechende Strategien beim Thüringer Umweltministerium einzureichen. In einer vorbildlichen Kooperation haben die 36 Thüringer Fernwärmeversorger unter Koordination der TEAG und der Stadtwerke Jena zusammen daran gearbeitet und gemeinsam ein abgestimmtes Vorgehen für die Planung entwickelt. Später hat jeder Fernwärmeversorger auf Basis der erarbeiteten Grundsätze und gewonnenen Erkenntnisse die konkrete Planung für das eigene Versorgungsgebiet entwickelt. So entstand eine Wärmenetzstrategie für die Fernwärmeversorgung von Jena – auch vor dem Hintergrund, dass sich die Stadt mit ihrem Klimaaktionsplan das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 gesteckt hat. Bisher basiert ihre Fernwärmeerzeugung zu 98 Prozent auf Erdgas. Schrittweise bis spätestens 2040 soll sie auf einen Mix aus Flussthermie, Wasserstoff, Elektrodenkessel, Biogas und Wärmepumpen umgestellt sein.

Wärmenetzstrategien 2040

Die im Rahmen der Kooperation erstellten Wärmenetzstrategien orientieren sich an den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Fernwärme zur Erstellung eines Transformationsplanes gemäß Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW). Die Ergebnisse bilden somit schon wesentliche Vorarbeiten für einen Transformationsplan ab, wie er in WPG und GEG gefordert und in der BEW gefördert wird. „Mit den Wärmenetzstrategien 2040 haben kommunale Fernwärmeversorgungsunternehmen mit Netzbetreibern und Dienstleistern einen konkreten Plan für die Wärmewende vor Ort erarbeitet“, so Dornack. „Für Jena gibt es die Strategie als detailliertes Konzeptpapier und übersichtlich zusammengefasste Broschüre für die Kommunikation wesentlicher Ergebnisse für eine breitere Öffentlichkeit.“ Auf einer Konferenz in Erfurt und über Medien wurden die Resultate der thüringenweiten Kooperation vorgestellt. Auf der nächsten Seite finden Sie die Vorgehensweise in fünf Schritten.

 

Transformationsplanung – Step 1 bis 5

1. Überblick zu den Erzeugungstechnologien

„Für eine Fernwärmestrategie braucht es erst einen Überblick über potenzielle Erzeugungstechnologien für grüne Fernwärme wie Umwelt- und Abwärme, Geothermie, Solarenergie, Biomasse, Wasserstoff und Power-to-Heat“, sagt Dr. Marc Schmid von den Stadtwerken Jena Netze, der den Strategieprozess maßgeblich betreut hat. „Jede wird auf ihre Potenziale in den lokalen Wärmenetzen hin analysiert: Wie ist die Anlagentechnik beschaffen, für welche Einsatzgebiete ist sie geeignet, welche Referenzprojekte gibt es, wie sind die regionalen Bedingungen?“ Danach wurde im Jenaer Konzeptpapier ein Leitfaden erstellt, der empfohlene Vorgehensweisen für die Planung und konkrete Prüfschritte auflistet.

2. Bestandsaufnahme des Fernwärmenetzes

„Um den Ist-Zustand des Fernwärmenetzes festzustellen, wurde jede Bestandsanlage unter die Lupe genommen, Energieverbrauch und -bedarf ermittelt, die Betriebsweise des Fernwärmenetzes analysiert“, so Schmid weiter. Bei der Ist-Analyse muss geklärt werden: Wie wird das Netz gespeist, welche Energiebilanz hat es, wie viel Treibhausgase fallen an? Wie ist die Kundenstruktur, wie ihr Wärmebedarf? Wie hoch ist die Anschlussquote? Welche Sanierungsraten und -tiefen gibt es? Neben der Analyse der aktuellen Lage werden mögliche zukünftige Entwicklungen mit einbezogen.

3. Potenzialanalyse der Erzeugungs- und Netzstruktur

Für den Aus- und Umbau des bestehenden Fernwärmenetzes hin zu einer klimaneutralen Versorgung sind umfassende Potenzialanalysen vorhandener Erzeugungs- und Netzstrukturen nötig. Dazu werden die Anlagen einzeln geprüft, festgelegt, wie die Transformation konkret erfolgen soll, und ein Zeitplan mit den wichtigsten Meilensteinen erstellt. Die Planung sollte regelmäßig, laut Thüringer Klimagesetz mindestens nach zehn Jahren, überprüft und bei Veränderungen durch neue Erkenntnisse, veränderte Rahmenbedingungen oder technologische Fortschritte angepasst werden.

4. Investitions- und Kostenbetrachtung

Die Dekarbonisierung der Fernwärme ist kapitalintensiv. Das gilt sowohl für die Investition in die Planung als auch für die Umsetzung der infrastrukturellen Maßnahmen. Dieser Investitionsbedarf kann Preisanpassungen bei Endkunden erforderlich machen. In der Transformationsplanung bedarf es daher einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsanalyse, einer Kostenabschätzung und eines fundierten Ausblicks auf die notwendigen Investitionsmaßnahmen. „In unseren Wärmenetzstrategien haben wir zu erwartende Preisentwicklungen umfassend analysiert, Ausblicke auf wirtschaftliche Veränderungen gegeben, Prognosen vorgenommen“, so Schmid. „Diese Abschätzungen für die Zukunft sind mit Unsicherheiten behaftet, aber wichtig und für die Strategieentwicklung unerlässlich.“

5. Erarbeitung eines Preissystems

Während sich zu erwartende Strompreise vergleichsweise einheitlich kalkulieren lassen, führen lokale Unterschiede bei der Fernwärmeerzeugung zu heterogenen, komplexen Preisstrukturen. So erfordert die Fernwärmeerzeugung durch neu erschlossene Tiefengeothermie relativ hohe Investitionen, ihr Potenzial ist regional sehr unterschiedlich. Für die Nutzung von PV ist die Flächenverfügbarkeit in räumlicher Nähe zum Wärmenetz Voraussetzung. Für die Nutzung der Wärme von Gewässern durch Großwärmepumpen bedarf es eines nahen Flusses. „Bisher waren die Preise für die überwiegend gasbasierte Fernwärme in Thüringen zumindest scheinbar vergleichbar“, so Schmid. „Künftig dürften sie sich deutlicher unterscheiden – je nach Kostenstruktur der lokal verfügbaren klimaneutralen Wärmequellen. Sogar innerhalb eines Ortes könnte es signifikante Unterschiede geben. Dies klar öffentlich zu kommunizieren, wird eine weitere wichtige Aufgabe sein, um die Akzeptanz der Kunden nicht zu verlieren.“

 

Mehrwert durch Zusammenarbeit

Das Management der Stadtwerke Jena und die Thüga sind sich einig: Die Wärmewende kann nur gelingen, wenn Erzeugung, Netz und Kunden zusammen betrachtet werden. Es bedarf eines ständigen kooperativen Austausches mit allen Akteuren und Stakeholdern. „Das gemeinsame Vorgehen und der Erfahrungsaustausch haben in Thüringen zu produktiven Synergien geführt: von sektorenübergreifenden Ist- und Potenzialanalysen bis zu abgestimmten Prämissen für die Preislegung“, so Alexander Hellmann, Leiter Erzeugung bei der Thüga. „Hinsichtlich etwaiger Investitionsförderung und rechtlicher Rahmenbedingungen ist die Kommunikation mit der Politik wesentlich effektiver, wenn ein Zusammenschluss aus regionalen Energieversorgern mit einer Stimme spricht.“

Die Thüga steht Partnerunternehmen für die Wärmewende auf zahlreichen Ebenen bei. Wesentliche Unterstützung bieten laut Hellmann die geschlossenen Rahmenabkommen, mit denen Planungs- und Ingenieursressourcen für bis zu 45 Transformationsplanungen gesichert werden konnten. Sie sind im Extranet abrufbar. „Außerdem koordinieren wir den Erfahrungsaustausch der Partnerunternehmen, stellen kostenfreie Tools zur Kalkulation von Netzerweiterungen, Investitionen in Erzeugungsanlagen und deren Auswirkungen auf das Preissystem bereit und bieten individuelle projektbezogene Unterstützung.“