Die Bundesnetzagentur stellt den aktuellen Regulierungsrahmen auf den Prüfstand. Ihr Ziel: diesen transparenter und anwendungsfreundlicher zu gestalten. Was das für die Branche und für Thüga bedeutet.

Der Europäische Gerichtshof hat 2021 entschieden, dass die Bundesnetzagentur (BNetzA) unabhängiger von Politik und Ministerien sein muss. Die BNetzA erhält damit eine umfangreiche Festlegungskompetenz für die regulatorischen Rahmenbedingungen. Dazu kommt die Transformation der Energieversorgung, die bis 2045 klimaneutral sein soll. Dies erfordert einen kritischen Blick auf die Abschreibungsmodalitäten vor allem in der Gassparte. Für die Branche wird der Dialog über einen angepassten Regulierungsrahmen und die konstruktive Zusammenarbeit mit der BNetzA insgesamt also noch wichtiger.

15 Thesen für die Regulierung

Im Januar 2024 eröffnete die BNetzA die Diskussion mit der Branche. Dazu veröffentlichte sie das NEST-Eckpunktepapier: Das heimelig klingende Motto steht für „Netze. Effizient. Sicher. Transformiert.“. Die BNetzA beschreibt in 15 Thesen die möglichen Anpassungen des Regulierungsrahmens. Diese Thesen sind mit Fragen an die Branche verknüpft – sie bittet also ausdrücklich um deren Meinung. „Über die Arbeitskreise, unsere Verbandsaktivitäten und im persönlichen Dialog mit der BNetzA wirken wir intensiv dabei mit, die kommenden Festlegungen im Sinne der Netzbetreiber auszugestalten“, sagt Yvonne Hartmann von der Thüga-Regulierung. „Die komplexen Einzelthemen zu einem stimmigen Gesamtrahmen zu verknüpfen, das ist die Herausforderung.“ Dieser muss bis zu Beginn der 5. Regulierungsperiode stehen – und bis dahin werden die Festlegungen sukzessive erscheinen. „Insbesondere 2024 und 25 erwarten wir Konkretisierungen“, so Hartmann.

Von individuell zu pauschal

Das Ziel der BNetzA ist insgesamt, den Regulierungsrahmen transparent und unbürokratischer zu gestalten. Beispielsweise wird derzeit das betriebsnotwendige Vermögen nach einem individuellen, prüfungsintensiven Verfahren ermittelt. Wichtig: Aus diesem leitet sich der regulatorisch zugestandene Gewinn der Netzsparte ab. Die BNetzA möchte auf eine pauschalierte Kapitalkostenbestimmung umstellen. Grundsätzlich begrüßt die Branche dieses Vorgehen.

Auch die Abschreibungsmöglichkeiten der Gasnetzinfrastruktur werden erweitert und flexibilisiert. Den Rahmen schafft die Festlegung KANU 2.0, deren Entwurf die BNetzA Mitte Juli veröffentlicht hat. „Die angestrebte Klimaneutralität bis 2045 erfordert kürzere und flexiblere kalkulatorische Nutzungsdauern als bisher vorgesehen“, erklärt Hartmann. Denn für die Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit der Transformation ist entscheidend, wie die Kosten der Gasnetzinfrastruktur künftig abgeschrieben und verteilt werden. Diese müssen mit der Absatzmengenentwicklung im Gas im Einklang stehen. „Solange noch viele Netzkunden Gas als Energieträger nutzen, ist es das Anliegen der BNetzA, die Kosten der Netzinfrastruktur auf möglichst viele Schultern zu verteilen“, sagt Hartmann weiter. „Denn die Kundschaft wird perspektivisch auf alternative, klimafreundliche Energiequellen umsteigen.“

Bedeutung der Basisjahre

Die Dauer der Regulierungsperioden ist ein weiterer Schlüsselfaktor, den die BNetzA gemeinsam mit der Branche auf den Prüfstand stellt. Im aktuellen System werden die Kosten der Netzsparte einmal alle fünf Jahre erfasst. Vereinfacht gesagt, gesteht die Regulierungsbehörde auf dieser Basis Netzbetreibern einen Erlöspfad zu. Ein beträchtlicher Teil zwischenzeitlicher Kostenzuwächse wird dadurch oft erst mit erheblichem Zeitverzug im Erlöspfad berücksichtigt. „Die Praxis zeigt, dass für Netzbetreiber, die sich im Basisjahr regulatorisch optimal aufgestellt haben, die wirtschaftliche Situation in der Regulierungsperiode weit besser ist“, so Hartmann. Die regulatorischen Stellschrauben zu kennen und Optimierungspotenziale bestmöglich auszuschöpfen, ist weiterhin elementar, denn: „Zum jetzigen Zeitpunkt besteht noch keine hundertprozentige Sicherheit, welche Änderungen der neue Regulierungsrahmen bei den bevorstehenden Basisjahren bringt.“ Daher ist es momentan sinnvoll, die bewährte Optimierungspraxis der Basisjahre bis auf Weiteres beizubehalten, empfiehlt Hartmann.

Thüga nah am Puls

Die Regulierung wird trotz der angestrebten Vereinfachungen komplex bleiben – und strategisches Know-how über die regulatorischen Stellschrauben für die Netzbetreiber unverzichtbar. Das Regulierungsteam der Thüga bleibt nah am Puls der Entwicklungen: „Aktuell simulieren wir für einzelne Partnerunternehmen die Auswirkungen der möglichen neuen Abschreibungsmodalitäten auf deren Netzkosten“, sagt Hartmann. „Im Laufe des Jahres folgen weitere Unterstützungsangebote, ganz danach ausgerichtet, wie die BNetzA den Regulierungsrahmen weiter anpasst.“