In Schwerin steht der erste und einer der größten Batteriespeicher Europas. Je weiter die Energiewende fortschreitet, desto essenzieller werden diese Anlagen.

Von: Thorsten Rienth

Von der Größe her könnte das Gebäude eine Turnhalle sein. 35 Meter lang. 20 Meter breit. Aber innen hängen keine Sprossenleitern oder Basketballkörbe. Stattdessen stehen dort Batterieracks, MS-Umspann- und Mittelspannungsschaltanlagen, Brandmelde- und Bekämpfungssystem, Klimatechnik sowie ein IT-Systembereich. Auf einer Wiese bei Schwerin fügt sich die Technik zu einer der modernsten Infrastrukturen für die Energiewende zusammen – einem riesigen Lithium-Ionen-Batteriespeicher mit einer Kapazität von 15 Megawattstunden (MWh).

Frequenzstabilisierung des Verbundnetzes

Eine klassische Batterie, die voll aufgeladen Wallboxen oder E-Busnetze speisen könnte, ist er aber nicht. „Wir nutzen ihn zur Frequenzstabilisierung des europäischen Verbundnetzes. Insgesamt sind dafür in ganz Europa verteilt 3.000 Megawatt (MW) notwendig. Unser Batteriespeicher leistet einen Anteil von zehn MW“, erklärt Tobias Struck, Leiter Energiespeicher und Innovationen beim Thüga-Partnerunternehmen WEMAG aus der Mecklenburg-Vorpommerschen Hauptstadt.

Über rund 8.000 Quadratkilometer erstreckt sich das WEMAG-Netz mit einer Gesamtleitungslänge von etwa 15.000 Kilometern bis in Teile Brandenburgs und Niedersachsens. „Die Frequenz von Stromnetzen variiert immer ganz leicht“, erklärt der Diplom-Ingenieur. „Das liegt am Verhältnis von Stromeinspeisung und Stromverbrauch. Wegen der manchmal Hunderttausenden Akteure ist es nie komplett ausgeglichen.“ Bei einem Überangebot von Strom steigt die Frequenz, bei einem Unterangebot fällt sie. „Im täglichen Netzgeschehen schwankt sie meistens zwischen 49,8 und 50,2 Hz“, so Struck. In diesem Rahmen sei das unproblematisch. Bevor die Dinge aber sichere Grenzen verlassen, steuern Netzbetreiber gegen. „Must-run“-Kapazität lautet der Fachbegriff. „Sinkt die Frequenz zu stark, gibt man, salopp gesagt, zum Ausgleich einfach ein bisschen mehr Dampf auf die Turbine“, sagt Struck. „Zumindest, solange Strom noch aus Turbinen gewonnen wird.“ Der Schweriner 15-MWh-Batteriespeicher fungiert als Ersatz für sie, weil immer weniger Strom aus Turbinen und immer mehr aus PV- und Windkraftanlagen kommt.

Bei der Inbetriebnahme vor acht Jahren handelte es sich um den europaweit ersten kommerziell genutzten Batteriepark. Mit über einer Million Euro Fördergeld unterstützte das Bundeswirtschaftsministerium das Vorhaben. Für den Betrieb hat sich die WEMAG mit dem Berliner Technologieunternehmen Younicos zusammengeschlossen. „Wir sind die Spezialisten für den Netzbetrieb“, erklärt Struck, Younicos habe Experten für die Regelungstechnik. Die sei bei einem Batteriespeicher in ausgefeilter Weise nötig. Die Integration in gängige Wechselstromnetze bedeutet eine große Herausforderung: Alle Erzeugungs- und Speichereinheiten müssen dezentral und ohne menschliches Eingreifen zusammenspielen. Die Sonne scheint nicht immer, der Wind bläst auch nur selten stetig. Intelligente Batterien wie die im Schweriner Speicher werden deshalb für die Energiewende unerlässlich.

Lösung für Gewerbe und Industrie

Die Verwendung von Batteriespeichern als Netzfrequenzpuffer beschreibt eine Anwendung. Die andere zielt in Form von B2B-Batteriespeichern auf Gewerbe und Industrie ab. „Wir erwarten in diesem Sektor einen stark wachsenden Markt“, sagt Katharina Baumbusch aus dem Thüga-Kompetenzcenter Innovation. Im Jahr 2019 lag die installierte Kapazität an B2B-Batteriespeichern deutschlandweit noch bei 180 MWh. Für das Jahr 2030 erwartet Baumbusch rund 3,1 GWh. Zehn Jahre später sollen es schon 29 GWh sein. Steigende Strombezugskosten und der Wunsch, sich mit Photovoltaikstrom vom Dach in Kombination mit einem Batteriespeicher zunehmend selbst zu versorgen, sind laut Baumbusch die Haupttreiber für die Entwicklung. „Aber auch ganz individuelle Wünsche sind denkbar. Zum Beispiel der Spediteur, der seine E-Flotte mit der Batterie als Ladebooster aufladen will.“

Zudem spielt der Sicherheitsgedanke einer autarken Energieversorgung eine Rolle. Im Portfolio der WEMAG gibt es mit einer kleinen Variante des 15-MWh-Pufferspeichers bereits eine Lösung. WBS 500 heißt sie, die Abkürzung steht für WEMAG Batterie Speicher. Auf weniger als 16 Quadratmetern Fläche, mit bis zu 1,1 MWh Speicherkapazität und 400 Volt Versorgung kombiniert sie Eigenbedarfsdeckung und Frequenzstabilisierung mit Lastgangoptimierung. „Für die Kunden ist das eine attraktive Sache“, sagt Baumbusch. „Und für die Partnerunternehmen der Thüga-Gruppe könnte das Angebot der WEMAG in Zukunft auch deutschlandweit skaliert werden.“