Berliner Energietage 2023
zum Vortrag, ab min 49:50

Thüga und Energie Südbayern (ESB) stellen gemeinsam mit Energienetze Bayern für das Forschungsprojekt H2Direkt ein bestehendes Gasnetz auf 100 Prozent Wasserstoff um. Zehn Kund:innen heizen dann ausschließlich mit dem neuen Energieträger – ein Novum für Deutschland. Das Vorhaben ist Teil des TransHyDE-Projekts „Sichere Infrastruktur“ und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Der Startschuss ist gefallen: Am 14. September 2023 wurde im innovativen Wasserstoffprojekt H2Direkt in Hohenwart (Landkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm) die Einspeiseanlage in Betrieb genommen. Ab der kommenden Heizperiode werden von dort aus zehn Kunden über ein umgewidmetes, bestehendes Gasnetz mit 100 Prozent Wasserstoff versorgt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt – als Teil des Wasserstoff-Leitprojekts TransHyDE.
Bei der Feier zur Inbetriebnahme der Wasserstoff-Einspeiseanlage sagte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger: „Die Umstellung eines Erdgasnetzes auf 100 Prozent Wasserstoff ist mit geringen technischen Umrüstungen machbar und der Betrieb ist sicher. Das wollen wir mit H2Direkt in Hohenwart beweisen. Mit diesem deutschlandweit einzigartigen Projekt schaffen wir eine Blaupause für eine klimafreundliche Energieversorgung.“
ESB, Energienetze Bayern und Thüga boten zur feierlichen Inbetriebnahme der Wasserstoff-Einspeiseanlage ein buntes Rahmenprogramm rund um die Bedeutung von Wasserstoff für die zukünftige Energieversorgung. Rund 200 Gäste waren zur Veranstaltung gekommen, darunter auch Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW).
Marcus Böske, Sprecher der Geschäftsführung bei ESB, zeigt sich zur gelungenen Inbetriebnahme der Wasserstoff-Einspeisung höchst zufrieden: „Wasserstoff ist ein Schlüsselelement der Energiewende. Durch unsere Projektidee gilt das in Hohenwart ab heute auch für den Wärmebereich. 100% erneuerbarer Wasserstoff im ehemaligen Gasnetz: H2Direkt zeigt, wie klimaschonende Wärmeversorgung in Zukunft aussehen kann.“
„Um die Klimaziele in Deutschland langfristig und effizient zu erreichen, müssen wir bestehende Infrastruktur nutzen: Gasnetze sind verfügbar und für die Nutzung von grünen Gasen geeignet. Die kommunalen Energieversorger der Thüga-Gruppe zeigen mit greifbaren Innovations- und Leuchtturmprojekten wie H2Direkt, wie die Energie- und Wärmewende vor Ort umgesetzt wird. Wasserstoff kann dafür eine sichere, bezahlbare und klimaverträgliche Option darstellen“, sagt Dr. Christoph Ullmer, Leiter des Kompetenzcenters Innovation der Thüga Aktiengesellschaft.
Ein Pilotprojekt Thüga, Energie Südbayern und Energienetze Bayern kommen beim Wasserstoff-Pilotprojekt H2Direkt entscheidende Schritte voran. Die vorbereitenden Baumaßnahmen für die H2-Einspeiseanlage in Hohenwart haben begonnen, den Wasserstoff wird die Westfalen AG liefern. Alle Bauteile im Netz und in den Heizungsräumen sind auf ihre Wasserstofftauglichkeit überprüft, das Eichamt hat das H2-Messkonzeptbestätigt. Damit rückt die Umstellung eines Gas-Bestandsnetzes auf 100 Prozent Wasserstoff im Herbst 2023 näher.
Anfang Juli starteten die Tiefbauarbeiten in Hohenwart. Auf einem Grundstück der Regens-Wagner-Stiftung wird aktuell das Fundament für die H2-Bereitstellungs- und Einspeiseanlage errichtet. Die Ausführung dieser Arbeiten übernimmt die Firma HRS Ingenieur- und Rohrleitungsbau aus Au i.d. Hallertau.
Foto: Energienetze Bayern
Den benötigten grünen Wasserstoff liefert die Westfalen AG. Er wird in Trailern per LKW nach Hohenwart transportiert.
Die Einspeiseanlage haben Energienetze Bayern und die keep it green GmbH gemeinsam geplant. Die Anlage wird den Druck des gelieferten Wasserstoffs reduzieren und ihn mit 250 Millibar in den entsprechenden Netzabschnitt einspeisen. Mit dem Bau der Einspeiseanlage wurde der Spezialist Pfaffinger Anlagenbau & Energietechnik beauftragt.
Foto: Westfalen AG
Das Forschungsinstitut DVGW-EBI hat grünes Licht für alle im Verteilnetzbereich verbauten Komponenten gegeben. Sie sind für 100 Prozent Wasserstoff geeignet.
H2-tauglich sind auch alle verbauten Komponenten in den Heizungsräumen der Haushalte, die im Vorfeld detailliert erfasst wurden.
In den Haushalten werden die Heizungen 100 Prozent H2-fähigen Brennwertthermen ausgetauscht, die der Kooperationspartner Vaillant liefert.
Foto: Vaillant
Als Teil des Forschungsvorhabens werden zudem Regularien für die Messung von Wasserstoff aufgestellt. Ein entsprechendes Messkonzept, das Energienetze Bayern und Thüga zusammen mit dem DVGW-EBI erstellt haben, ist vom Eichamt beziehungsweise Landesamt für Maß und Gewicht (LMG) für den Feldtest freigegeben
Kleiner Netzabschnitt, große Wirkung: Mit ihrem Pilotprojekt zeigen die drei Partner, dass bestehende Gasverteilnetze mit reinem Wasserstoff betrieben werden können. Dafür stellen die Energienetze Bayern einen Abschnitt ihres Gasnetzes im Markt Hohenwart auf 100 Prozent H2 um. Dann schlägt die Stunde der Wasserstoff-Pioniere von Hohenwart: Zehn Haushalte und ein Gewerbebetrieb heizen ab Oktober 2023 für zunächst circa 18 Monate mit reinem Wasserstoff. Eine Premiere, denn bisher konzentrierten sich Projekte zum Thema Heizen mit H2 auf die Beimischung von Wasserstoff zum Erdgas.
Klimafreundliche Wärmeversorgung über vorhandene Gasnetze? Das geht, wenn man sie mit erneuerbaren Energieträgern betreibt. Der große Vorteil: Die Infrastruktur ist vorhanden und muss nur in geringem Umfang umgerüstet werden. Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung ist damit vergleichsweise schnell und sozialverträglich machbar. H2Direkt verwirklicht, was Thüga seit Langem fordert: die Wärmewende mit Wasserstoff zu meistern. „Was wir hier in kleinem Maßstab vorführen, kann sich zu einer Blaupause für die Wärmeversorgung in ganz Deutschland entwickeln”, erklärt Thüga-Innovationsmanagerin Béatrice Angleys. „Vergleichbare Projekte mit Haushaltskunden gibt es bisher nicht in Deutschland. Mit H2Direkt liefern wir schlagkräftige Argumente nach Berlin und Brüssel, wie die Gasinfrastruktur in Zukunft genutzt werden kann und muss.“ H2Direkt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert und ist als Cluster im TransHyDE-Projekt „Sichere Infrastruktur“ Teil der Wasserstoff-Leitprojekte des BMBF.
Was sonst noch geschieht: Die Projektpartner erarbeiten ein geprüftes Sicherheitskonzept sowie ein Mess- und Abrechnungssystem für Wasserstoff. Die technischen und organisatorischen Prozesse und Erfahrungen ergeben am Ende einen Leitfaden, der einen allgemeingültigen Umstellungspfad der Gasinfrastruktur auf Wasserstoff darstellen soll. Davon profitieren nicht nur die 100 kommunalen Unternehmen aus der Thüga-Gruppe, sondern alle Energieversorger, die ihre Gasinfrastruktur zukunftssicher aufstellen wollen.
Jenseits der technischen Ebene ist ein derart innovatives Vorhaben wie H2Direkt nur realisierbar, wenn die Gemeinde sowie die Bürger:innen offen für neue Ansätze sind und das Projekt unterstützen. Deshalb wurde für H2Direkt ein eigenes Kommunikations- und Partizipationskonzept für die Ansprache der Endkunden entwickelt. In Hohenwart zeigen sich die Anwohnenden sehr aufgeschlossen dafür, selbst als Wasserstoff-Pioniere zur Energiewende beizutragen. Auch der Bürgermeister der Gemeinde steht als erklärter Verfechter der Energiewende hinter dem zukunftsweisenden Projekt.
Für H2Direkt setzen ESB, Energienetze Bayern und Thüga auf die Expertise von namhaften Projektpartnern mit langjähriger Erfahrung: Die Firma Vaillant wird die H2-Brennwertgeräte für die teilnehmenden Haushalte herstellen und einbauen, das Forschungsinstitut DVGW-EBI und die keep it green GmbH unterstützen die Projektumsetzung als wissenschaftlicher bzw. planerischer Dienstleister.
Die Umsetzung und technische Betreuung des Feldtests vor Ort liegen bei der ESB-Unternehmensgruppe. Als direkter Ansprechpartner der Testhaushalte übernimmt ESB zudem Vertragliches und die Abrechnung. Energienetze Bayern ist die Netzgesellschaft im Unternehmensverbund der ESB und der größte regionale Gasverteilnetzbetreiber in Südbayern. Thüga unterstützt mit konzeptioneller und operativer Fachexpertise und Erfahrungen aus vorherigen Forschungsprojekten zur Umstellung von Verteilnetzen auf Wasserstoff.
H2Direkt ist Teil des Leitprojekts TransHyDE, einem von drei Wasserstoff-Leitprojekten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.