Eine Mediation ist ein formeller Weg, einen Konflikt außergerichtlich einvernehmlich und schnell beizulegen. Mit Anne Radermacher hat das Thüga-Kompetenzcenter Recht eine ausgebildete Mediatorin an Bord. Lesen Sie im Interview über Chancen und Grenzen dieses Verfahrens.

Frau Radermacher, hoffen Sie als Mediatorin auf möglichst viele Streitigkeiten?

(lacht) Das ist zweischneidig. Natürlich möchte ich nicht, dass ein Unternehmen Konfliktfälle hat. Wenn allerdings massive Kontroversen auftreten, kann ich nur anregen, schon in einer frühen Stufe des Konflikts eine Lösung über eine Mediation zu suchen und den Streit nicht schwelen oder gar eskalieren zu lassen.

Die Erfolgsquote von Mediation soll zwischen 70 und 90 Prozent liegen. In Umfragen äußern sich aber 31 Prozent[1] der Befragten skeptisch gegenüber einer Mediation. Wird dieses Verfahren zur Konfliktbeilegung unterschätzt?

Der Punkt ist: Wer sich für eine Mediation entscheidet, hat ein großes Interesse daran, zu einem Abschluss zu kommen. Ziel ist es, für beide Parteien eine Win-Win-Situation zu schaffen. Das geht deutlich über einen Kompromiss hinaus, der bei Vergleichen von einer Drittperson erarbeitet wird und dem die beiden Konfliktparteien zustimmen. Bei einer Mediation finden beide Parteien eigenverantwortlich für sich eine Lösung, hinter der sie vollkommen stehen. Niemand hat das Gefühl, verloren zu haben oder in einen Kompromiss gedrängt worden zu sein. Geschäftsbeziehungen können so erhalten bleiben und man geht nicht im Streit auseinander. Trotzdem steht der Rechtsweg auch nach einem Mediationsverfahren offen.

Was sind die Voraussetzungen für eine Mediation?

Die Konfliktparteien müssen sich freiwillig und aus eigener Überzeugung für eine Mediation entscheiden. Es muss klar sein, dass nicht der Mediator die Lösung findet, sondern die Parteien selbst. Mediation blickt nach vorne, das ist ein klar lösungsorientierter Ansatz. Es geht nicht um die Suche nach Schuldigen, sondern um die Frage, weshalb ein Konflikt entstanden ist und wie dieser gelöst werden kann. Und es muss alles auf den Tisch, es dürfen keine Informationen zurückgehalten werden. Beide Parteien müssen sich an die generellen Spielregeln einer Mediation halten, ebenso wie an Spielregeln, die sie sich für die Mediation selbst gegeben haben.

Wo sind die Grenzen einer Mediation erreicht?

Grundsätzlich kann man alle Konflikte an eine:n Mediator:in herantragen. Relevant ist die Frage, auf  welcher Stufe ein Konflikt steht. Es gibt ein neunstufiges Eskalationsmodell. Das reicht von leicht verhärteten Fronten mit Bereitschaft zur Lösung bis hin zum Stadium, in dem man sich auf seine Positionen zurückzieht und keine Möglichkeiten mehr für eine kooperative Einigung sieht. Auf der letzten Stufe steht dann der Kleinkrieg, der aber eher bei Nachbarschaftsstreitigkeiten auftritt und nicht im Unternehmensbereich. Wenn ein Konflikt an den Punkt angelangt ist, dass eigene Interessen unbedingt durchgesetzt und eine rechtliche Lösung erreicht werden sollen, ist die Grenze für eine Mediation erreicht.

Was macht eine gute Mediatorin aus?

Natürlich halten sich Mediator:innen an die Grundsätze, die im Mediationsgesetz festgelegt sind: Sie sind allparteilich, also nicht nur neutral, sondern sie sorgen für beide Parteien. Sie passen auf, dass Ungleichheiten ausgeglichen werden, etwa beim Redeanteil. Eine gute Mediatorin hört raus, was die Parteien eigentlich sagen wollen. Mit entsprechender Fragetechnik kann man herauskitzeln, was in Wirklichkeit hinter einem Konflikt steckt.

Was schätzen Sie an Ihrer Aufgabe als Mediatorin?

Die Dinge sind selten so, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Es steckt immer etwas dahinter, das können wirtschaftliche Interessen eines Unternehmens ein, die so noch nicht zutage getreten sind, oder auch zwei Personen, die zusammen ein Projekt bearbeiten und nicht miteinander können. Ich arbeite gerne mit Menschen und finde es spannend, die Interessen hinter den Positionen herauszufinden.

[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167532/umfrage/meinung-zu-den-erfolgsaussichten-von-mediation-in-deutschland/