Der Weg in eine smarte Zukunft führt über moderne Kommunikationsnetze. Welche Rolle sie für Energieversorger spielen, erklärt Dr. Stephan Nagl im Interview. Er ist Leiter des  Kompetenzteams Netzstrategie im Ressort Beratung der Thüga.

Herr Dr. Nagl, warum sind moderne Kommunikationsnetze für Energieversorger wichtig?

Sie sind die Grundlage, um Daten zu erfassen, zu übertragen und auszuwerten. Dadurch kann ich als Energieversorger interne Prozesse in meinem Unternehmen verbessern – und meinen Kunden neue Produkte und Dienstleistungen anbieten.

Haben Sie konkrete Beispiele?

Interne Anwendungen sind beispielsweise die Bereitstellung einer Notfallkommunikation, die Übertragung von Zählerständen oder auch die Überwachung dezentraler Versorgungsanlagen. Im Vordergrund stehen hier im Regelfall Anwendungen aus dem Netzbetrieb.

Und externe Anwendungsfälle?

Da gibt es viele, sowohl für Kommunen als auch Haushalts- und Gewerbekunden. Kommunikationsnetze machen zum Beispiel eine Smart City mit den zahlreichen Anwendungen erst möglich wie öffentliches WLAN, Smart Parking, Smart Lighting oder IoT-Lösungen für Privatkunden. Energieversorger können sich dadurch als moderner und ganzheitlicher Umsorger in der Region positionieren.

Das klingt gut – aber wie gehe ich praktisch vor?

Der springende Punkt ist herauszufinden, welche Anwendungsfälle ich umsetzen kann und möchte. Sind das interne Anwendungsfälle zur Verbesserung der Effizienz? Oder möchte ich Dienstleistungen für Endkunden anbieten? Wie viele mögliche Kunden habe ich für eine bestimmte Dienstleistung? Gibt es Wettbewerber in meinem Heimatmarkt, die das heute schon günstiger oder besser können? Möchte ich die Infrastruktur selber aufbauen und betreiben oder nutze ich den Service eines Dritten? Es sind also zunächst einige strategische Fragen zu beantworten, die die Grundlage dafür bilden, welches Kommunikationsnetz aufgebaut werden soll.

Wann empfiehlt es sich denn, einen Dienstleister ins Boot zu holen?

Die Frage „Wie nah ist die geplante Anwendung am Kerngeschäft?“ ist mit
Blick auf die vorhandenen Kompetenzen entscheidend. Baue ich ein Breitbandnetz auf, muss ich den Tiefbau organisieren, so wie bei Strom- und Gasnetzen auch. Das tue ich seit Jahren, da kenne ich mich aus. Weiter weg sind softwarebasierte Angebote für Endkunden oder beim Breitband zum Beispiel Home Entertainment. Da bietet es sich an, mit einem Dienstleister zusammenzuarbeiten, zum Beispiel mit der Thüga SmartService (TSG).

Aber für den Aufbau eines Breitband-Netzes muss ich viel Geld in die
Hand nehmen…

Auf jeden Fall. Anders sieht es bei LoRaWAN aus – hier kann man mit vergleichsweise geringen Kosten relativ schnell aktiv werden. Beim Breitband geht es um andere Beträge, die da vergraben werden. Je nach Technologie und Finanzierungsrahmen muss man generell die Langfristigkeit einer Entscheidung bedenken. Wenn ich ein Netz aufbaue und Kunden Leistungen verspreche, muss ich das auch umsetzen. Kann ich das nicht, wirkt es sich entsprechend negativ auf mein Image aus.

Wie unterstützen Sie die Stadtwerke bei der Entscheidung?

Wir können gemeinsam mit der TSG aufzeigen, welche Anwendungsfälle bereits heute im Markt umgesetzt werden und welche Erfahrungen Thüga-Partnerunternehmen damit gesammelt haben. Wir finden gemeinsam heraus, welche Anwendungsfälle für den jeweiligen Versorger interessant sind und welche Technologien dafür genutzt werden können.

Wie spielen die Technologien zusammen?

Die verschiedenen Technologien ermöglichen unterschiedliche Anwendungsfälle. Es gibt gewisse Schnittmengen, aber auch Ausschlusskriterien. Im Regelfall kommt eine Kombination aus mehreren Technologien zum Einsatz. Grundsätzlich ist die kabelgebundene Technologie wie Glasfasernetze bei der Größe der Datenmengen gegenüber allen Funktechnologien, beispielsweise LoRaWAN, im Vorteil. CDMA 450 MHz ist insbesondere mit Blick auf die Datensicherheit für Netzbetreiber interessant.

Wie startet ein Stadtwerk am besten?

Die Liste darf nicht zu lang sein. Man sollte priorisieren und mit einem oder zwei konkreten Anwendungsfällen beginnen. Es ist sicherlich empfehlenswert, erst Pilotprojekte durchzuführen, bevor man den Service ausrollt. Ich rate, entsprechend Zeit einzuplanen, je nach Anwendungsfall auch mal ein Jahr oder länger. Wir unterstützen bei diesem Prozess sehr gern.

Über Projektbeispiele aus der Thüga-Gruppe berichtet der Beitrag „Starke Netze für die moderne Kommune“.