Die groß angelegte Thüga-Studie „KI – Strategische Orientierungsgrundlage“ ist fertig. Im Interview spricht Oliver Herzog, CIO bei Thüga, über die Ergebnisse, neue Chancen und Herausforderungen beim KI-Einsatz in der Energiewirtschaft.

Herr Herzog, Künstliche Intelligenz (KI) findet auch im Energiesektor zunehmend Anwendung. Wo steht die Thüga-Gruppe der Studie zufolge?

Es laufen erste Pilotprojekte und Umsetzungen, häufig noch ohne strategische Ausrichtung. Die eingesetzten Ressourcen sind noch gering, die Verantwortlichkeiten oft nicht klar definiert, es fehlt eine strukturierte Datenorganisation. Durchschnittlich befindet sich die Gruppe in einem anfänglichen bis leicht fortgeschrittenen KI-Reifegrad, wobei die Bandbreite groß ist. Wir fangen nicht bei null an. Aber es gibt einiges zu tun.

Zum Beispiel was?

Erstens fehlt oft das Verständnis für Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten von KI im Geschäftsalltag. Zweitens mangelt es an Rückhalt und Vertrauen für KI. Etwa, weil in der Belegschaft Ängste vor Arbeitsplatzverlust herrschen oder das Management zu wenig unterstützt. Drittens sind in den Organisationen nicht genügend Ressourcen mit hinreichendem KI-Wissen vorhanden, zudem Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten unklar. Darüber hinaus sind viele Prozesse und IT-Systeme noch nicht auf KI ausgerichtet. Das erschwert leider die Integration von KI-Lösungen. Fünftens hapert es am Enabling. Das schränkt uns ein, Daten aufzubereiten, zu aggregieren und zu kombinieren. Die größten Hürden liegen weniger in der KI-Technologie selbst als in kulturellen und organisatorischen Faktoren.

Das klingt alles nach einer sehr großen Baustelle …

… weswegen es umso wichtiger ist, sie strukturiert anzugehen. Damit steht und fällt der Nutzwert. Man kann nicht das Fundament legen, bevor der Bauplatz feststeht.

Heißt übertragen auf die Energiebranche: Die Energieversorgungsunternehmen (EVU) müssen sich erst einmal darüber klar werden, mit welchem Ziel sie KI einsetzen wollen?

Genau. Ihr langfristiges Potenzial entfaltet KI erst bei tiefer Integration in die wertschöpfenden Kernprozesse. Deshalb sollte die Bewertung möglicher Anwendungsfälle immer einem strukturierten Prozess folgen. Wo sehe ich als EVU in meinen Wertschöpfungsketten KI-Potenzial? Passt der Anwendungsfall zu meinen strategischen Zielen? Sind die Voraussetzungen zur Umsetzbarkeit intern bereits gegeben – und falls nicht, wie stelle ich sie her?

Welche Anwendungen eignen sich für den Einstieg?

Gerade beim Einsatz von generativer KI liegen die Einstiegshürden niedrig. Aussichtsreiche Anwendungsfälle sehen wir etwa in Voice- und Chatbots für Kundeninteraktionen oder in der Automatisierung von Genehmigungsprozessen. Wer schon etwas weiter ist, kann mithilfe von Computer Vision Potenziale bei der Ferninspektion und vorausschauenden Wartung von Erzeugungsanlagen und Netzen erkennen. Weiterhin ist das Prognostizieren von Bedarfen und Preisen im Energiehandel ein großer Hebel.

Datentransparenz, Datenverfügbarkeit und Datenqualität spielen eine entscheidende Rolle für KI. Das dürfte doch gerade kleinere Versorger vor große Herausforderungen stellen?

Längst nicht nur die kleinen! Einige KI-Lösungen benötigen weit mehr Daten, als einzelne Versorger je sammeln könnten. Wir wollen deshalb unsere Stärke der Thüga-Gruppe mit Data-Pooling ausspielen: Indem wir größere, repräsentativere Datenmengen zusammenführen, können wir genauere und robustere Modelle entwickeln. Auch darüber hinaus profitieren wir in der Gruppe von Synergien, etwa indem wir Best-Practice-Beispiele teilen.

Welche Unterstützungsleistungen gibt es konkret?

Auf übergeordneter Ebene haben wir die KI-Initiative gegründet. Mit ihr koordinieren wir Ideen, Anforderungen und Aktivitäten in der Thüga-Gruppe, um damit die Synergien großflächig nutzbar zu machen. Für einen niederschwelligen und datenschutzkonformen Zugang zu GenAI werden Rahmenabkommen für unsere Partnerunternehmen zur Verfügung gestellt, um damit eigene Anwendungsfälle erstellen zu können. Dazu kommen eine Reihe praktischer Hilfen: E-Learnings, eine Mustervorlage für KI-Richtlinien, Argumentationshilfen sowie regelmäßige Austauschformate wie ein KI-Stammtisch.


+++ KI – mit der Thüga-Studie können Sie starten! +++

Die „Strategische Orientierungsgrundlage zur Erschließung der Potenziale von Künstlicher Intelligenz in der Thüga-Gruppe“ legt den Grundstein zur Nutzung von KI-Potenzialen in der Thüga-Gruppe. Die Ergebnisse sollen als Hilfe zur Selbsthilfe dienen. Die Thüga arbeitete dafür eng mit Partnerunternehmen und Plusgesellschaften zusammen. Das Beratungsunternehmen PwC unterstützte fachlich. Darüber hinaus bündelt die Studie eine Vielzahl an Tools, Assets und praxisnahen Handlungsempfehlungen, um den Einstieg in das Thema KI zu erleichtern.