Steigender Haushaltsverbrauch, Wärmepumpe und dann noch die vielen Elektrofahrzeuge. Über allem stehen die Fragen:  Wie verkraften das die Stromnetze, was müssen Netzbetreiber tun und wie reagiert die Kundschaft?

Die Antworten darauf erforschten Thüga, BS|ENERGY und BS|NETZ als Partner in einem Projekt des Fraunhofer IEE. In Braunschweig fand dazu ein Feldtest mit Kund:innen von BS|ENERGY statt. Der Braunschweiger Versorger wählte zwei unterschiedliche Testgebiete aus, in denen E-Mobilist:innen der Steuerung ihrer Ladevorgänge zustimmten: eines mit altem Gebäudebestand und ein Neubaugebiet, in dem das Netz vor allem im Winter auch durch viele Wärmepumpen belastet wird. Olaf Bothe, der für KOM|DIA – eine gemeinsame Tochter von BS|ENERGY und Thüga – das Projekt managte, war immer nahe an den Tester:innen. „Manchmal saß ich dann auch für ein Stück Kuchen oder eine Tasse Kaffee im Wohnzimmer“, lacht Bothe. „Für mich war vor allem wichtig, dass die BS|ENERGY als innovativer Versorger, der nahe an seinen Kundinnen und Kunden ist, wahrgenommen wurde.“

Datensammlung für die Netzplanung

Die Daten aus dem Feldtest werden nun für Anpassungen in den Netzplanungstools genutzt. Die Erfahrungen mit der Messung und Überwachung der Niederspannungsnetze bilden die Basis für die Digitalisierung der Verteilnetze. „In einzelnen Testphasen haben wir für die Datensammlung unterschiedliche Anreize für die Ladesteuerung gesetzt“, erklärt Katharina Baumbusch, Innovationsmanagerin bei Thüga. „Für die Basismessung gab es eine Phase mit konstantem Netzentgelt. Daneben haben wir unter anderem einen zeitlich fixen zweistufigen und einen variablen dreistufigen Tarif basierend auf der Netzauslastung erprobt.“ Die Teilnehmenden konnten sich entscheiden, ob sie kostenoptimiert oder emissionsarm laden wollten.

Günstiger ist umweltfreundlicher

Bei rund 70 Prozent der Ladevorgänge entschieden sich die Braunschweiger Tester:innen für eine kostenoptimierte Ladung. Damit sparten sie im Durchschnitt 5,30 Euro pro Monat. Die Emissionen, die für die Erzeugung des Ladestroms anfielen, sanken dabei von 434 Gramm CO2 pro Kilowattstunde (g/kWh) auf 310 g/kWh, denn die Stromkosten nahmen vor allem durch einen höheren Ökostromanteil ab. Das Projektteam hat die CO2-Einsparungen auf den Gesamtbestand von Elektroautos in Deutschland hochgerechnet: Bei rund 1,17 Millionen E-Autos (Stand Juli 2023) und einer durchschnittlichen Ladeenergie von 2250 kWh pro Auto und Jahr könnten jährlich über die Ladesteuerung 326 Kilotonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht den jährlichen Emissionen einer Stadt mit rund 20.000 Einwohnern.

Steuerung schränkte nicht ein

Das wichtigste Ergebnis für Bothe: „Die Steuerung der Ladevorgänge haben unsere Teilnehmenden mehrheitlich nicht als Einschränkung ihrer Mobilität empfunden. Wichtig war für sie, dass das Fahrzeug zum Abfahrtszeitpunkt geladen war.“ Für dringende Fahrten gab es zudem eine Sofortladefunktion. Diese kostete einen Aufpreis von 50 Cent pro Ladevorgang. „Wir haben gemerkt, dass diese Funktion ausschlaggebend für die Akzeptanz der Steuerung war“, so Bothe.

Netze weniger belastet

Die Steuerung wirkte sich positiv auf die Netze aus, viele Ladevorgänge konnten aus den Spitzenzeiten verschoben werden. Baumbusch erklärt: „Wir haben untersucht, ob günstigere Preise als Anreiz dazu führen, dass es zu neuen Belastungen im Netz kommt. Das war nicht der Fall.“ Im Gegenteil: Beim ungesteuerten Laden war ein Netz-Abgang bis zu 71 Prozent ausgelastet, während der Steuerung waren es 51 Prozent. Die Ladeleistung, die maximal abgerufen wurde, sank von 69 auf 60 Kilowatt. Die Gleichzeitigkeit, also die Prozentzahl der E-Autos gemessen am Gesamtfahrzeugbestand, die zur gleichen Zeit laden, war im Test geringer als bisher angenommen. Im Test luden zwischen 21 und 27 Prozent der Teilnehmenden ihre Fahrzeuge zur selben Zeit. Der VDE gibt dafür in einer Leitstudie einen Wert von 30 Prozent an.

Projektteam zufrieden, weitere Fragen offen

Nach ein paar Startschwierigkeiten lief es rund im Projekt. Beispielsweise waren keine Smart Meter mit Gateway verfügbar; bei den Wallboxen kämpfte der Hersteller mit Lieferengpässen. Baumbusch erklärt: „Bei einem Forschungsprojekt kann man nicht davon ausgehen, dass immer alles glatt läuft. Wir testen neue Produkte und Herangehensweisen. Aber wir haben bewiesen: Die Steuerung privater Ladevorgänge ist netzdienlich, sinnvoll und machbar.“ Bothe ergänzt: „Die vielen persönlichen Gespräche waren wertvoll, die Teilnehmenden haben das Lademanagement gerne angenommen.“ Einige Fragen konnte der Feldtest noch nicht beantworten, beispielsweise zur Integration von bidirektionalem Laden. Oder wie neue Geschäftsmodelle für die Vertriebe gestaltet werden können. Thüga untersucht das momentan unter anderem im Projekt OwnPV