Die Entwicklung des Wasserstoffmarkts ist von vielen Unbekannten geprägt. Aber abwarten ist keine Option. Gemeinsam mit Partnern lassen sich lokale Wertschöpfungsketten schmieden, mit denen sich das Henne-Ei-Problem überwinden lässt.

Eckpunkte der Entwicklung 

Wann kommt die Anbindung an das nationale Wasserstoff-Backbone? Wer darf, wer kann den Wasserstoff dann nutzen? „Es gibt eine ganze Reihe von Unklarheiten auf dem Weg in die entwickelte Wasserstoffwirtschaft, das ist sicher“, räumt Béatrice Angleys, Thüga-Koordinatorin Wasserstoff, ein. „Sicher ist aber auch, dass wesentliche Eckpunkte der Entwicklung feststehen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.“ 

Klare Orientierungsmarken weisen die Richtung 

Zu den klaren Wegmarken in Richtung Wasserstoffwirtschaft gehört zum Beispiel die im Juni bestätigte Novelle der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III). Schon im Februar hat die Europäische Kommission mit dem delegierten Rechtsakt zur RED-II-Richtlinie klare Regeln für den Strombezug zur Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff formuliert. Die Gasverteilnetze stehen ohnehin zur Verfügung. Was also fehlt für den Durchbruch von Wasserstoff als Energieträger? 

Schlüsselrolle für lokale Versorger 

Henne + EiWenn alle auf die jeweils anderen warten, geht keiner voran. Angleys: „Um die Henne-Ei-Problematik zu überwinden, müssen wir drei Dinge tun: die technische Machbarkeit beweisen, den Dialog mit der Energiepolitik suchen und die wirtschaftlichen Interessen vor Ort in Einklang bringen.“ Zahlreiche Pilotprojekte sind auf dem Weg, der Dialog mit dem Gesetzgeber läuft. Vor allem bei der Vermittlung der wirtschaftlichen Interessen haben die lokalen Versorger eine Schlüsselrolle: Keiner kennt die Bedarfe und Potenziale vor Ort so gut wie sie. Angleys: „Mit ihren Kompetenzen sind die kommunalen Energieversorger in der Pole-Position – sowohl beim Anschieben als auch bei der Umsetzung von Wasserstoff-Projekten.“

Bedarfe nicht immer offensichtlich 

Wer ein Stahlwerk, eine Glashütte oder einen größeren Chemiebetrieb in seinem Einzugsbereich hat, braucht nicht lange nach Ankerkunden für die lokale Wasserstoffwertschöpfungskette zu suchen. „Kein Ökosystem ohne Abnehmer – im Idealfall mit konstantem Bedarf und langfristigem Planungshorizont“, sagt Angleys. „Allerdings werden Großverbraucher nicht selten direkt von überregionalen Energieversorgern bedient“, gibt Angleys zu bedenken. Stadtwerke sollten deshalb genauer hinschauen. Im Rahmen ihrer Planung zur Gasnetzgebietstransformation, der fälligen Wärmeplanung oder dem weiteren Stromnetzausbau müssen sie das ohnehin tun. Der Logistiker am Standort, Züge und Autofähren, Busse oder kommunale Fahrzeuge, der schwierig zu sanierende Bestandsbau, mittelständische Unternehmen mit überdurchschnittlichem Wärmebedarf – sie alle können Wasserstoff-Ankerkunden werden. Auch Erzeuger wie Solar-, Windparks oder Agrarbetriebe können Unterstützung beim Thema Wasserstoff benötigen. Die Kunst bestehe darin, die richtigen Verbindungen zu knüpfen. 

Sehr unterschiedliche Rolle der kommunalen Energieversorger 

Welche Rolle das Stadtwerk im einzelnen Projekt genau einnimmt, kann sehr unterschiedlich sein. Erste Wahl ist der Einstieg in die Produktion von grünem Wasserstoff. Dafür sollten sich die Unternehmen jetzt die nötigen Flächen für PV- oder Windanlagen sichern. Die Thüga Erneuerbare Energien kann hier mit umfangreicher Erfahrung unterstützen. Wem das nicht möglich ist, kann auf mehrjährige Stromlieferverträge setzen, die sogenannten Power Purchase Agreements (PPAs). Mit denen lässt sich der für die Elektrolyse nötige Ökostrom aus nachvollziehbaren Quellen sichern. Für die Elektrolyseanlage selbst lässt sich möglicherweise der ansässige Wärmeversorger mit ins Boot holen und die bei der Elektrolyse entstehende Abwärme ins Fernwärmenetz einspeisen.

Das vorhandene Gasnetz kann die Verteilung von Wasserstoff übernehmen. „In jedem Fall ist es wichtig, vernetzt zu denken“, regt Angleys an. „Auch die lokale Kläranlage kann über ein Abfall-zu-Wasserstoff-Konzept oder als Abnehmer für den bei der Elektrolyse anfallenden Sauerstoff eingegliedert werden.“ Die Thüga hält eine Menge von Unterstützungsleistungen parat, um Projekte in unterschiedlichen Größenordnungen und Projektphasen zu unterstützen. Das betrifft auch das Finden und Beantragen der vielfach möglichen Fördermittel. 

Unternehmertypen gefragt 

Im Kern gehe es darum, den 1,8 Millionen Industrie- und Gewerbekunden an den Verteilnetzen sowie den vielen Millionen Privathaushalten in Deutschland einen realistischen Weg für die Dekarbonisierung anzubieten, so Angleys. „Sogenannte Klimaschutzverträge können gerade Gewerbekunden helfen, ihren CO2-Fußabdruck deutlich zu reduzieren“, sagt die Thüga-Innovationsexpertin. „Gefragt ist hier das pionierhafte Engagement auf kommunaler Ebene. Der Weg zu einem eingeschwungenen Marktzustand führt über viele einzelne Ökosysteme, die auf Basis nachhaltig erzeugten Wasserstoffs erfolgreich wirtschaften. Einige funktionierende Beispiele zeigen die Machbarkeit. Selbst aktiv werden und mitmachen ist die Losung der Stunde.“