Stromnetze erweitern, Gasnetze umbauen, Wärmenetze ausbauen, Erzeugung erneuerbar machen: Der Energiewirtschaft steht ein enormer Umbruch mit nie gekanntem Investitionsvolumen ins Haus. Wie die Thüga-Partner die Transformation der Energiewirtschaft und ihre Finanzierung angehen.

„Das Investitionsvolumen der Thüga-Gruppe wird bis 2030 auf jährlich vier bis fünf Milliarden Euro steigen – das ist doppelt so hoch wie bisher. Der Löwenanteil wird für die Wärme benötigt“, so Thüga-Vorstand Dr. Christof Schulte auf dem Thüga-Treffen. Ein langer Atem ist gefragt, bis die in den nächsten zehn Jahren sinkenden Ergebnisse durch die Rückflüsse der Investitionen wieder deutlich wachsen werden.

evm: Geld allein reicht nicht

„Eines vorab: Die Finanzierung ist eine der zahlreichen Voraussetzungen für das Gelingen der Energiewende“, betont Philipp Pinger, Bereichsleiter Rechnungswesen und Controlling bei der evm in Koblenz. „Aber Fachkräfte- und Materialmangel sowie fehlende Netz- und Tiefbaukapazitäten lassen sich mit Geld allein nicht heilen.“ Dieses ökonomische Grundprinzip hat sich in den Folgen der Russland-Ukraine-Krise eindrücklich gezeigt: „Ein physischer Mangel an Realgütern lässt sich mit Geld kurzfristig nur eingeschränkt beseitigen“, sagt Pinger. Die mit der aktuellen Krise verbundenen Verwerfungen auf dem Energiemarkt hätten die Banken verunsichert. Politische Unwägbarkeiten, wie zum Beispiel das künftige Regulierungsregime, kämen hinzu. „Banken wollen die Risiken für sich minimieren und bewertbar machen – so wie das bisher zum Beispiel bei PV- oder Wind-Projekten der Fall ist.“ Valide und schlüssige Planungen sind eine Grundvoraussetzung für die Gespräche mit Banken und Gesellschaftern.

Der Ruf nach staatlichen Sicherheiten und einem verlässlichen Ordnungsrahmen werde vor dem Hintergrund der enormen Investitionsvolumen schon jetzt lauter. „Die aktuellen Entwicklungen rund um die BGH-Entscheidung zur Finanzierung des Klimatransformationsfonds stärkt das Vertrauen nicht“, so Pinger. Insgesamt seien derartige Herausforderungen noch nie da gewesen – „das wird hochspannend!“

Langfristig gerechnet bei ESWE

Bemoostes Eurozeichen auf Wiese copyright: Gettyimages

Die Kennzahlen aus LUS-Szenarien sind bei der Ansprache von Banken unerlässlich.

Die Stadt Wiesbaden hat ihre strategische Wärmeplanung bereits verabschiedet – im Dialog mit ESWE. Diese hat daraufhin Transformationspläne zur Erreichung der Klimaschutzziele entwickelt und daraus konkrete Planungen für die Investitionsmaßnahmen abgeleitet. Mit dem Thüga-Tool LUS („Langfristige Unternehmenssimulation“) berechnet, ergeben sich aus den drei möglichen zeitlichen Szenarien Investitionsplanung mit Finanzierungsbedarf, Finanzierungsstruktur, also Eigenkapital-Ausstattung und Fremdkapital-Bedarf, sowie Finanzkennzahlen. Die nächsten Schritte: mit den Gesellschaftern eine Vereinbarung zur künftigen Ergebnisverwendung und Eigenkapitalstärkung treffen und die Banken ansprechen. „Diese sehen als Erstes die Risiken, wir müssen daher die langfristigen Chancen herausstellen, die wir anhand des LUS-Tools ausgearbeitet haben, wie zum Beispiel adäquate Renditen“, so Ralf Schodlok, Vorstandsvorsitzender bei ESWE.

Bankenansprache bei SVS

Die Stadtwerke Villingen-Schwenningen (SVS) haben bereits eine Marktsondierung bei einem nationalen Bankenkreis durchgeführt. Vorab hatten sie ihre Transformations-Szenarien ebenfalls mit dem LUS-Tool gerechnet – sogar „mit Spaß“, wie Geschäftsführer Gregor Gülpen auf dem Thüga-Treffen versicherte. Die Kennzahlen aus den LUS-Szenarien waren bei der Bankenansprache unerlässlich: „Banken wollen einen konkreten, langfristigen Plan sehen, der mit schlüssigen Projekten unterlegt ist. Wichtig sind Kennzahlen wie die Eigenkapitalquote, die Leverage Ratio gewinnt ebenfalls an Bedeutung. Diese werden durch die hohen Investitionen allerdings stark belastet und liegen dadurch zeitweise über dem marktüblichen Bereich.“ Das Finanzierungsinteresse vonseiten der Banken sei aber grundsätzlich da, betonte Gülpen. Nachhaltigkeit spielt bei der Bankenansprache eine wichtige Rolle, ebenso das Engagement des Gesellschafters.

Früh begonnen: TEAG

Letzteres kann die Thüringer Energie (TEAG) nur bestätigen. Sie begann bereits im Frühjahr 2022 – noch vor der Kommunalen Wärmeplanung –, ihre Investitionsstrategie zu überarbeiten, nachdem die Bundesregierung neue EEG-Ausbauziele verabschiedet hatte. Das Ergebnis: „In kurzer Zeit müssen wir unsere Investitionen verdoppeln“, sagt Nico Maciejewski, Geschäftsbereichsleiter Controlling bei der TEAG. „Wir sprechen von einer Investitionssumme von rund 1,8 Milliarden Euro bis 2028.“ Auch für den Aufsichtsrat eine bislang nicht gekannte Summe – entsprechend ausführlich gestalteten sich die Strategiegespräche im Gremium. „Wir haben unser langfristiges Finanzmodell mit Ergebnispfad und dem Finanzierungsbedarf vorgestellt und ein gemeinsames Verständnis entwickelt, dass das nicht ausschließlich mit Fremdkapital zu stemmen ist.“ Nach rund einem Jahr waren die Anteilseigner mit einer Eigenkapitalstärkung mit im Boot. „Dieses Engagement der Gesellschafter haben die Banken als starkes Signal wahrgenommen und uns dadurch einen Vertrauensbonus gegeben“, so Maciejewski. Aber auch die Bereitschaft der Bestandsbanken ist begrenzt, daher ist die TEAG mit Neubanken im Gespräch. Fest steht: Die Energiewende kann nicht ausschließlich mit Banken oder alternativen Finanzierungsinstrumenten gestemmt werden: „Ohne einen staatlichen Fördermechanismus zum Beispiel über die KfW wird es in Gänze nicht funktionieren“, so Maciejewski.

Erfahrungen teilen und unterstützen

„Im Hinblick auf die Finanzierung kommen auf die Partnerunternehmen sehr viele Fragen zu, die in der Vergangenheit in diesem Ausmaß nicht relevant waren – und die allein schwer zu beantworten sind“, resümiert Michael Kittelberger, Leiter Controlling, Finanzen & Rechnungswesen der Thüga. „Unsere Aufgabe als Thüga wird sein, dass wir den Partnerunternehmen grundsätzliche Hinweise zur Professionalisierung ihres Treasury geben und diese auch untereinander von ihren unterschiedlichen Erfahrungen profitieren. Wir tauschen uns regelmäßig mit den verantwortlichen Kaufleuten aus, mit dem Ziel, die Ergebnisse strukturiert im Thüga-Verbund zu teilen.“