Wir schreiben das Jahr 2035. In zehn Jahren muss der Umstieg auf erneuerbare Energien beim Heizen vollbracht sein. Was ist auf dem Weg dorthin bereits passiert? Ein fiktiver Rückblick auf eine entscheidende Phase der Energiewende.

Wer erinnert sich heute noch an die große deutsche Aufregung im Sommer 2023? Die damalige Ampel-Regierung hatte gerade die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ins parlamentarische Verfahren geschickt. Dringend notwendig, sagten die einen. Der „Heiz-Hammer“ sei nicht finanzierbar, fanden die anderen. Dabei bündelte die Novelle rückblickend doch vor allem Selbstverständlichkeiten: Seit dem 1. Januar 2024 durften hauptsächlich nur noch auf Wasserstoff umrüstbare Gasheizungen verbaut werden. Mit der Kommunalen Wärmeplanung (KWP) wurden die Kommunen zu jener verbindlichen Dekarbonisierung der Wärmeversorgung verpflichtet, die ihre Energieversorger gerade landauf, landab abarbeiten. So weit, so normal.

Mitten in der GTP-Abarbeitung

Seinerzeit noch alles andere als normal war der Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP) der Initiative H2vorOrt. Die hohe Beteiligungsquote am GTP war damals bahnbrechend und zeigte den Willen zur Dekarbonisierung der Verteilnetzbetreiber auf. Drei Viertel des deutschen Gasverteilnetzes deckte der GTP im Aufregerjahr 2023 ab: 415.000 von mehr als 560.000 Kilometern in 381 von 401 Landkreisen. „Die meisten Gasverteilnetzbetreiber rechneten schon damals fest mit einer künftigen Versorgung mit Wasserstoff, Biomethan oder anderem klimaneutralem Methan“, erinnert sich Niklas Zigelli, damals Mitarbeiter im Thüga-Kompetenzcenter Netze. Zum ersten Mal schien sich auch in der breiten Öffentlichkeit eine wichtige Erkenntnis durchzusetzen: Für das Entstehen einer nachhaltigen und erfolgreichen Wasserstoffwirtschaft ist auch die Transformation der Gasverteilnetze entscheidend.

Komplizierte Regulatorik und Bürokratie

schwaben netz gehörte in den späten 2010er-Jahren zu den Ersten im Land, die sich konkrete Gedanken um eine wasserstofftaugliche Zukunft machten. Ziel war es, auf Dauer die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, die ein Einblick ins Online-Archiv der GmbH so beschreibt: „Über unser rund 7.100 Kilometer langes Netz transportieren wir jährlich rund 12,9 Milliarden Kilowattstunden Erdgas und sorgen zuverlässig dafür, dass 210 Kommunen in Schwaben und im Allgäu mit Erdgas beliefert werden.“ Darauf setzten die meisten der Industrie-, Gewerbe- und Privatkunden auch über das Jahr 2045 hinaus. Dann eben mit grünem Wasserstoff oder Biomethan.

„Die ganze Regulatorik und Bürokratie haben uns echtes Kopfzerbrechen bereitet“, blickt der damalige Geschäftsführer René Schoof zurück auf die so entscheidenden Jahre für die Energiewende. „Wir haben in Deutschland manchmal die etwas schlechte Angewohnheit, die Dinge vom Ende her zu planen – und zwar absolut perfekt.“ Ob sich nicht vielleicht bei der nächsten großen Transformation so manches Regulatorik-Detail auch unterwegs lösen lasse? Bei der Energiewende habe es ja am Ende auch ganz gut geklappt.

Ankerkunden in der Schlüsselrolle

Dem war nach Ansicht Schoofs auch so, weil sich viele Versorger mit einer guten Strategie auf den Weg machten. „Wir sind sehr früh auf Ankerkunden mit hohen Energiebedarfen zugegangen – metallverarbeitende oder chemische Industrie, Molkereien, Ziegeleien, Brauereien.“ Zu denen in Augsburg gehörte damals die Brauerei Riegele dazu. Seit 1911 braut sie unweit des Hauptbahnhofs international ausgezeichnete Biere. „Das ist sehr energieintensiv“, so der damalige Braumeister Frank Müller. Weil die Würze in riesigen Kesseln sprudelnd kochen muss. Und weil in Tanks, Leitungen und Flaschen stets mikrobiologische Reinheit gefordert ist. Auch das geschieht mit Hitze.

Verteilnetz gleich nebenan

Um 2015 hatte die Brauerei bereits von Heizöl auf umweltfreundlicheres Erdgas umgestellt. Das Verteilnetz führte nebenan vorbei. „Natürlich haben wir in den Prozessen Effizienzen gehoben, wo wir konnten“, versichert Müller. Aber der restliche Energiebedarf sei viel zu groß gewesen, um ihn vor Ort zum Beispiel mit PV-Anlagen zu erzeugen. „Anders sah es wegen der hohen Energiedichte von Wasserstoff und Biomethan aus.“ Die langfristigen Planungen unter Einbeziehung der Ankerkunden wiederum sicherten bei schwaben netz die Ertüchtigung des Netzes genauso ab, wie sie es beschleunigten. „Wir konnten uns schon früh der Nachfrage aus der Industrie sicher sein“, erinnert sich Schoof. Und fließen durch Leitungen für fossiles Erdgas erst mal grüne Gase zu Gewerbekunden, scheint die analoge Umstellung bei den Privatkunden im jeweiligen Teilnetz naheliegend. Als im Sommer 2023 die Emotionen hochkochen, meldete schwaben netz umfangreichen Vollzug: 95 Prozent des regionalen Verteilnetzes waren H2-ready, trotz des – insbesondere im Tiefbau – allgegenwärtigen Fachkräftemangels. Vor fünf Jahren dann der große Tag: Fast an der Nordspitze des Netzes flossen aus dem dort querenden H2-„Backbone“ die ersten Kubikmeter Wasserstoff in Richtung Augsburg und Bayerisch-Schwaben.