An der Schnittstelle zwischen Regulatorik, Markt und Verbrauchern treiben Stadtwerke die Umsetzung der Energiewende voran. Ohne die regionalen und städtischen Versorger kann Deutschland den Spagat zwischen CO2-Neutralität bis 2045 und verlässlicher Versorgung kaum schaffen.

Für die globale Wirtschaft war 2022 ein turbulentes Jahr. Ralf Winter, als hauptamtlicher Thüga-Key-Accounter in den Aufsichtsräten von 20 Thüga-Partnerunternehmen tätig, erinnert an einige wichtige Einschnitte für die Stadtwerke in Deutschland: „Die ersten beiden Warnstufen einer Gasmangellage wurden ausgerufen, systemrelevanten Lieferanten drohte die Insolvenz, der Staat sprang ein, Füllmengen für Gasspeicher wurden vorgeschrieben, Discount-Energieanbieter meldeten Konkurs an und Verbraucher wechselten in großer Zahl in die Grundversorgung, die Gasumlage wurde lange diskutiert, zur Umsetzungsreife gebracht und kurz vor dem Start abgeblasen, die Verbraucherpreise stiegen und soziale Härten wurden per Preisdeckel abgefedert. Das sind nur einige der Themen, mit denen sich Stadtwerke im vergangenen Jahr beschäftigen mussten.“

Umsetzung politischer Beschlüsse

An der Schnittstelle zwischen Regulatorik und Verbraucher waren es die Stadtwerke, die umgesetzt haben, was die Politik angesichts einer sich dynamisch entwickelnden Situation unter Hochdruck beschloss. „Dazu gehörte im Detail, erst einmal selbst zu verstehen, was da von der Politik aufgeschrieben wurde, und die unterschiedlichen Gremien wie auch die Kundinnen und Kunden entsprechend zu informieren“, sagt Christoph Kahlen, ebenfalls hauptamtlicher Thüga-Key-Accounter bei 20 Partnerunternehmen.

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Praktische Interpretationshilfe durch die Thüga

„In dieser Situation hatte die Thüga eine entscheidende Funktion als Interpretations- und Kommunikationshelfer“, sagt Dr. Arne Geiger, Leiter des Thüga-Kompetenzteams Vertrieb & Marketing. „Zu Anfang dieser Legislatur hatten wir als Grunddokument den Koalitionsvertrag mit gerade einmal zehn Seiten. Der beschrieb die Eckpunkte der Energiewende. Allein die im letzten Jahr beschlossenen Preisbremsen brachten es auf rund 250 Seiten Text, der binnen drei, vier Wochen durch das Parlament gebracht wurde. Da schleichen sich auch handwerkliche Fehler ein.“ Hier konnte die Thüga die Partnerunternehmen ganz praktisch bei der Auslegung und Einordnung der Konsequenzen unterstützen.

Aktiver Teil im Vermittlungsprozess

Aktiver Teil dieses Einordnungs- und Bewertungsprozesses sind die Thüga-Key-Accounter, die als Mitglieder in den Aufsichtsräten der rund 100 Energieversorger der Thüga-Gruppe Wissen und Erfahrung in die Gremienarbeit einbringen. Sie leisteten im Laufe des vergangenen Jahres mit ihrer Kompetenz einen wertvollen Beitrag bei der Einordnung der sich ständig verändernden Lage. Mit der Verschiebung zahlreicher bislang stabiler Größen wurde plötzlich vielen erst klar, wie komplex austariert die Energiewirtschaft ist. „Für 2022 können wir sagen, dass der gesamte Marktmechanismus im Wesentlichen funktioniert hat“, ordnet Geiger ein. Durch den Rückzug einiger Energie-Discounter habe sich der Markt sogar ein Stück weit konsolidiert – zugunsten der Stadtwerke, die sich als verlässlicher Partner der Politik erwiesen haben. Mit ihrer risikoarmen Beschaffungsstrategie sind die städtischen und regionalen Versorger gut gefahren. Davon haben auch die Verbraucher:innen profitiert.

Lehren aus der Krise

„Ein Fazit aus 2022 muss sicher heißen: Risiko-Neubewertung“,  unterstreicht Winter. Durch die gestiegenen Preise seien auch die Risiken gestiegen. „Jeder Fehler kostet entsprechend mehr Geld.“ Die bislang große Flexibilität vor allem gegenüber größeren Kunden bei der Preisgarantie selbst bei schwankenden Abnahmemengen müsse man im Sinne der fairen Risikoverteilung zum Beispiel prüfen. „2021 und 2022 haben gezeigt, dass alle Risiken beispielsweise bei der Beschaffung auch wirklich eintreten können“, so Kahlen. Statt etwa deutschlandweit auf Kundenakquise zu gehen, könne der stärkere Fokus auf das regionale Geschäft der richtige Weg in eine solide Zukunft sein.

Konkrete Arbeit an der Energiewende

Aber vor allem nach vorn ergeben sich starke Geschäftsimpulse. Gerade im Wärmemarkt wird es kaum ohne den Einsatz Molekül-gebundener Energie gehen. Um dennoch die geforderte Dekarbonisierung zu erreichen, ist Wasserstoff das Mittel der Wahl. So haben etwa die Arbeiten am Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP) und damit die Umstellung der bestehenden Erdgasnetzinfrastruktur für den Einsatz von Wasserstoff bereits begonnen. 30 Prozent der Thüga-Partnerunternehmen haben sich 2022 daran beteiligt. Mit der Thüga Erneuerbare Energien unterstützt die Thüga Investitionen in Photovoltaik- und On-Shore-Windanlagen bundesweit, in dem sie die Investitionskraft der Partnerunternehmen und das Know-how bündelt. Geiger: „Unsere Expert:innen aus der Projektentwicklung sorgen für ein professionelles Management dieser Projekte und durch die bundesweite Investitionsstrategie minimieren wir das Risiko für alle Beteiligten.“ Ein weiteres Beispiel ist die Dezentralisierung der Energieversorgung. Sie spielt bei der Wasserstoffversorgung und im Bereich Strom eine Rolle. Geiger: „Sowohl die Betreiber einer Elektrolyse- Anlage zur Wasserstoffproduktion als auch die Grünstromerzeuger wollen ans Netz angeschlossen werden. Dafür sind die Stadtwerke die ersten Ansprechpartner.“ Bevor die erste Energie erzeugt wird, benötigen vor allem die Klein- und Kleinsterzeuger jede Menge Beratung. „Stadtwerke sind längst in diesem Geschäft aktiv und sorgen dafür, dass Erzeugungskapazitäten und der dazu nötige Netzausbau synchronisiert ablaufen“, sagt Geiger.

Mitten in der Transformationsphase

Auch die E-Mobilität birgt einige Geschäftsoptionen. Von der privaten Wallbox bis zur öffentlichen Ladeinfrastruktur, die Stadtwerke haben hier einen Fuß in der Tür und können wiederum mit Beratungsleistungen punkten. Bedingt durch die Energiekrise in 2022, haben sich auch die Rahmenbedingungen für die Wirtschaftlichkeitsberechnungen bei der Nutzung industrieller Abwärme massiv verändert. Geiger: „Die Idee ist alles andere als neu. Aber bei dramatisch gestiegenen Preisen für Strom und Gas lohnt sich das ein oder andere Projekt und bringt uns auch bei der Dekarbonisierung voran.“ „Die Energiewende fordert auf vielen Ebenen gewaltige Investitionen“, sagt Winter. „Nicht nur der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Umbau der bestehenden Wärmeversorgung hin zur grünen Wärme, sondern auch die Investitionen in den Ausbau der nötigen Stromnetze sind kapitalintensiv.“ „Die Stellschrauben liegen wie immer in unserem Markt auch in der Hand der  Politik“, merkt Geiger an. „Die Bundesnetzagentur als zuständige Behörde entscheidet darüber, ob sich Netzinvestitionen lohnen. Den Trumpf, den wir als Branche dabei ausspielen können, ist, dass das Geld eben auch sehr sicher angelegt ist.“