Wasserstoffnetze: Parallel regulieren oder in die bestehende Regulierung aufnehmen? Angesichts der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes schlägt die Frage hohe Wellen. Thüga fordert, den bestehenden Gasbegriff auf Wasserstoff zu erweitern.

Markus Wörz, Leiter der Thüga-Stabsstelle Energiepolitik Deutschland, erläutert im Interview den Thüga-Standpunkt.

Herr Wörz, 33 Thüga-Partnerunternehmen haben sich im September 2020 Gehör verschafft, indem sie sich an der Marktkonsultation der Bundesnetzagentur zur Regulierung von Wasserstoffnetzen beteiligt haben. Daraus entstand ein Positionspapier – was sind die Kernthesen?
Wir plädieren dafür, Wasserstoff technologie- und anwendungsoffen einzusetzen. Dieser Punkt ist in der Politik noch nicht richtig angekommen. Wir brauchen künftig große Mengen an Wasserstoff, deshalb müssen wir alle technologischen Optionen nutzen. Neben grünem, muss auch blauer oder türkisfarbener Wasserstoff zum Einsatz kommen. Anwendungsoffen heißt, mit Wasserstoff nicht nur im Bereich Industrie und Verkehr zu planen, sondern in allen Sektoren. Unser Schwerpunkt liegt im Bereich Wärme, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Klimaziele im Gebäudesektor mit ‚efficiency first‘ nicht mehr zu erreichen sind. Hier ist es ein großer Vorteil, dass wir den Wasserstoff über die existierenden Verteilnetze zu den Haushalten transportieren können.

Sie schlagen vor, den Gasbegriff zu erweitern und Wasserstoff in das EnWG aufzunehmen. Warum?
Das ist der einfachste und vor allem schnellste Weg für die Aufnahme von Wasserstoff in die existierende und bewährte Gasnetzregulierung. Dann muss nichts neu erfunden werden. Ein weiterer Vorteil liegt in der breiten Finanzierungsbasis. Die Kosten für notwendige Infrastrukturmaßnahmen würden über die Gasnetzentgelte all derjenigen Kunden, die Wasserstoff erhalten, abgeglichen. Für den einzelnen Gaskunden wären die Kosten damit niedrig, da sie auf viele Schultern verteilt sind.

Wie steht Thüga zu den Plänen des Bundeswirtschaftsminsteriums, reine H2-Netze parallel zu regulieren?
Wir halten diesen Vorschlag für nicht zukunftsfähig. Kerngedanke des Eckpunktepapiers aus dem BMWi ist es, ein paralleles H2-Netz aufzubauen, das nur durch die Kunden finanziert wird, die tatsächlich an das Netz angeschlossen sind. Aus Sicht des Wirtschaftsministeriums soll das vor allem die Industrie sein, insbesondere die Stahl- und Chemieindustrie. Der Aufbau soll mit staatlichen Beihilfen gestützt werden. Dem liegt der unseres Erachtens falsche Gedanken zugrunde, dass Wasserstoff nur einigen wenigen zugutekommen soll. Zudem sehen wir Probleme mit dem EU-Beihilferecht – der Ansatz wäre mit großen Unsicherheiten verbunden.

Die Thüga-Stellungnahme zur EnWG-Novelle schlägt einen alternativen Regulierungsansatz vor.
Der aktuelle Entwurf betrachtet die Wasserstoffnetzplanung isoliert. Es gibt zwar Schnittstellen zur Gasnetz-, nicht aber zur Stromnetzplanung. Seitens der Thüga setzen wir uns schon seit Längerem für eine ganzheitliche Energie-Infrastrukturplanung ein, die im Sinne einer Sektorenkopplung alle Energieträger miteinander denkt. Also zum Beispiel, wo überschüssiger Strom in einer Power-to-X-Anlage genutzt werden und wie der Wasserstoff von diesem Standort dann ins Gasnetz eingespeist werden kann.

Wie geht es mit dem Thema Regulierung weiter?
Als Thüga beteiligen wir uns selbstverständlich über DVGW und BDEW sowie mit einer eigenen Stellungnahme an der Verbändeanhörung, die derzeit läuft. Wir werden im parlamentarischen Prozess alles in Bewegung setzen, um die Regulierung in die von uns vorgeschlagene Richtung zu lenken. Sei es im direkten Kontakt zu den Parlamentariern oder über unsere Kontakte in die Länder hinein. Hier spielen die Partnerunternehmen eine wichtige Rolle, die als Multiplikatoren über ihre Abgeordneten und die Landesregierungen eine große Hilfe sein können. Bundestag und Bundesrat nehmen in letzter Zeit ihre Rolle stärker wahr und verändern Gesetzesentwürfe – meist – zum Positiven hin.