Seit September 2023 ist Oliver Herzog CIO der Thüga und Leiter des Kompetenzcenters Digitalisierung und kaufmännische Beratung. Seine Schwerpunkte: Digitalisierungslösungen aus der Gruppe für die Gruppe nutzen und ein digitales Ecosystem aufbauen. Ein Interview.

Herr Herzog, was sind Ihre Aufgaben?

Meine Teams und ich bündeln drei Aufgabenbereiche: Erstens tragen wir die Verantwortung für die IT der Thüga-Holding und ihrer Töchter. Zweitens stehen wir unseren  Partnerunternehmen bei Fragen zur Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse beratend zur Seite. Drittens unterstützen wir bei der Unternehmensplanung und -steuerung sowie bei der Erhebung von langfristigen Investitionsbedarfen. Die letzten beiden Punkte tragen wesentlich zum Gelingen der Energiewende bei.

Legen wir den Fokus auf Digitalisierung: In einem Unternehmensverbund mit jeweils eigenen gewachsenen IT-Strukturen passt vermutlich vieles nicht zusammen. Ist das ein Hemmschuh?

Der Druck auf Unternehmen, zu standardisieren und zu harmonisieren, ist nicht neu. Sowohl auf technologischer Seite als auch im Selbstverständnis der Unternehmen hat sich in den letzten Jahren viel getan. Plattformen von Microsoft und SAP sind heute Standard. Selbst für Anwendungen in der Energieerzeugung und im Energiehandel gibt es Lösungen, auf die wir aufsetzen können. Da kommen uns die bestehenden Thüga-Strukturen sogar entgegen.

Gibt es also Vorteile durch eine Art IT-Pluralismus?

Die Vielfalt im Thüga-Verbund stellen wir in einer Art Digitalisierungslandkarte dar. In dieser sind über alle Wertschöpfungsketten hinweg bestehende oder in der Umsetzung befindliche Lösungen abgebildet. Dies ist eine Leistungsschau konkreter Lösungen aus der Gruppe für die Gruppe.

Diese unterschiedlichen Lösungen wollen Sie zusammenführen?

Ziel ist ein Ecosystem, das unterschiedliche Plattformen und spezifische Anwendungen integriert. Damit schaffen wir ein einheitliches Nutzererlebnis und durchgängig digitalisierte, standardisierte Prozesse. Im Thüga-Verbund haben wir die Chance, die genauen Bedarfe an ein solches Ecosystem unter Expertinnen und Experten auf einem Niveau und auf einer Vertrauensbasis zu diskutieren, wie es sonst kaum möglich ist. Hier sehe ich tatsächlich einen sehr großen Benefit der Thüga-Gruppe.

Digital-affine Start-ups sammeln Millionen ein, um Energiedienstleistungen in den Markt zu bringen. Auch große Energieversorger entdecken die Dienstleistungen rund um die reinen Energielieferverträge. Kann die Thüga-Gruppe da mithalten?

Wenn ich das aus der Digitalisierungsperspektive betrachte, ist da bei Weitem nicht alles Gold, was glänzt. Dynamische Jung-Unternehmen haben mit ihren effizienten digitalen Lösungen in der Regel keinen Zugang zum Markt. Großunternehmen hingegen haben das Problem, dass sie viel zu lange an selbst entwickelten Lösungen festhalten. Der Thüga-Verbund hat eine Menge Trümpfe in der Hand: Wir haben den Marktzugang und das Skalierungspotenzial. Gemeinsam haben wir schon zahlreiche erfolgreiche Digitalisierungslösungen im Einsatz, viele weitere sind in Vorbereitung. Diese Lösungen können wir in der Gruppe ausrollen und nutzen. Und wir haben die Möglichkeit, auf standardisierte, leistungsfähige Plattformen zu setzen, mit denen wir unser digitales Ecosystem Schritt für Schritt aufbauen können.

Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Ein Beispiel ist unsere Abrechnungsplattform TAP, die gemeinsam mit unseren Partnerunternehmen konzipiert und entwickelt wurde und die sich aktuell in der Umsetzung befindet. Daneben entstehen gerade an der Kundenschnittstelle gemeinsame Lösungen, bei denen künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommt. Im telefonischen Beratungsgespräch erhalten die Agents in Echtzeit Hintergrundinformationen sowie Hinweise zur aktuellen Stimmungslage des Anrufenden. Ein weiteres Ziel ist, die oft noch verstreut in unterschiedlichen Systemen gespeicherten Informationen so zu bündeln und aufzubereiten, dass ein immer größerer Teil der Kundenanfragen durch eine KI beantwortet werden kann.

Gibt es ähnliche Anwendungen in anderen Bereichen?

Bei der Cybersicherheit setzen wir KI ein, um Schwachstellen zu erkennen und auf Anomalien aufmerksam zu machen. Im Bereich der Energieerzeugung hilft KI dabei, Produktion und Verbrauch in Deckung zu bringen. Darüber hinaus kann ein digitales Abbild von Anlagen und Netzen – digitaler Zwilling genannt – nicht nur den jeweiligen Ist-Zustand aufzeigen, sondern ermöglicht auch, zukünftige Zustände genau vorherzusagen, was Wartung, Sanierung und den weiteren Ausbau effizienter macht. Wir haben eine Fülle von Beispielen, bei denen wir mit unseren Partnerunternehmen an Lösungen arbeiten, die wir für die Gruppe aufbereiten. So können wir im Thüga-Verbund Synergien schöpfen. Hier steckt eine Menge Effizienz, die wir gemeinsam umsetzen können.