Immer mehr Gas gelangt per Schiff nach Europa. Dabei stützen nun auch deutsche LNG-Terminals die Energiesicherheit. Perspektivisch eröffnen sie dem Energiemarkt ganz neue Möglichkeiten.

Als am 17. Dezember 2022 in Wilhelmshaven die „Höegh Esperanza“ anlegte, startete in Deutschland ein neues Kapitel der Energieversorgung. Knapp 170.000 Kubikmeter Flüssigerdgas (LNG) hatte das 294 Meter lange Regasifizierungsschiff in den Tanks. Nachdem sie noch an Bord zurück in den gasförmigen Zustand versetzt wurden, flossen über eine halbe Million Kubikmeter ins Gasverteilnetz. Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner waren zur Begrüßung angereist.  

Der russische Angriff auf die Ukraine hat die Frage der Energiesicherheit neu aufgeworfen. Anstelle der vorherigen Pipeline-Lieferungen aus Russland wird per Schiff immer mehr flüssiges Erdgas aus den USA, Kanada und Katar importiert und gelangt über LNG-Terminals ins deutsche Erdgasnetz. Der Name des ersten angelandeten LNG-Schiffs spricht Bände. Übersetzt aus dem Spanischen heißt „Esperanza“ Hoffnung. Und auch, weil die Bundesregierung die LNG-Infrastruktur in der Zukunft für Wasserstoff nutzen will, passt der Begriff. 

 Je mehr Marktteilnehmer, desto geringer die Abhängigkeiten  

 „Grundsätzlich ist es dem Gasmarkt egal, ob das Gas aus einer Pipeline oder über LNG-Terminals ins Netz eingespeist wird“, sagt Dr. Kathrin Altenburger, bei der Syneco Trading GmbH für Grundsatzfragen, Verbände und Regulierung zuständig. Für den lokalen deutschen Handel sei der virtuelle Handelspunkt (VHP) des Marktgebietsverantwortlichen Trading Hub Europa maßgebend, erklärt sie. „Bislang wurde dieser an sich lokale Preis aufgrund von bestehenden Netzverbindungen zu anderen virtuellen Handelspunkten beeinflusst.“ 

Das ändert sich nun mit den LNG-Terminals. „Über deren Einspeisungen entsteht ein zunehmend größerer Zusammenhang zum Weltmarkt“, erklärt die Expertin. Damit hätten das weltweite LNG-Angebot, aber auch die Nachfrage beispielsweise in Asien einen recht dominanten Einfluss auf die Gaspreise in Deutschland. Im Umkehrschluss gilt aber auch: „Je mehr Marktteilnehmer, desto geringer die Abhängigkeiten von einem einzelnen. LNG stützt gerade in Deutschland und Europa die Energiesicherheit.“ 

 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas als LNG-Potenzial  

 Die Internationale Energiebehörde (IAE) geht davon aus, dass die europäischen LNG-Importe mittelfristig mit einem Anteil von 35 bis 40 Prozent am europäischen Primärenergiebedarf stabil bleiben. Laut Bundesnetzagentur kamen im ersten Halbjahr 2023 über die drei LNG-Terminals Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin 33,8 Terawattstunden in Deutschland an – Tendenz steigend. Dies entspricht einem Anteil von 6,4 Prozent der deutschen Gasimporte. Sind alle geplanten Terminals in Betrieb, beziffert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Gesamtkapazität auf rund 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas – knapp die Hälfte dessen, was noch 2021 per Pipeline aus Russland importiert worden war. 

Auf die Klimaneutralität zahlt konventionelles LNG zwar nicht ein. Perspektivisch könnte sich allerdings Bio-LNG aus erneuerbarem Biogas oder synthetischem Gas herstellen lassen. In welchem Umfang das geschieht und inwieweit das Bio-LNG dann auch über die Weltmeere transportiert wird, muss sich erst noch zeigen.  

 Langfristige Nutzungsoptionen der LNG-Terminals 

 „Für mich liegt die Zukunft der LNG-Terminals in der Einbindung in die zukünftige Wasserstoff-Infrastruktur“, sagt Altenburger. Zu den langfristigen Nutzungsoptionen der Terminals zählt laut einer aktuellen Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) auch die Umrüstung ihrer Komponenten auf potenziell klimaneutrale Energieträger wie flüssigen Wasserstoff oder flüssiges Ammoniak. Auch an dieser Stelle gibt es noch viele Unsicherheitsfaktoren, wie Projektkoordinator Dr. Florian Schreiner erklärt: „Die Frage nach der Machbarkeit der Umrüstung hängt von vielen Faktoren ab: Die zukünftige Nachfrage nach beiden Energieträgern ist noch ungewiss. Und wir benötigen verlässlichere Bedarfsprognosen, um die Planungssicherheit zu verbessern.“ 

In jedem Fall schließt sich auch an dieser Stelle der Kreis zum Gasverteilnetz und damit zur Thüga-Gruppe: Ob LNG, Bio-LNG, flüssiger Wasserstoff oder flüssiges Ammoniak – ohne Verteilinfrastruktur können Energieträger von Schiffen wie der „Höegh Esperanza“ nicht zu den Verbrauchern vor Ort kommen.