Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat einen massiven Ausbau der Erneuerbaren in Aussicht gestellt. Ist dieser Zuwachs realistisch? Nachgefragt bei Thomas Walther, Geschäftsführer der Thüga Erneuerbare Energien (THEE).

Herr Walther, der Bundesminister für Wirtschaft und Energie Robert Habeck wünscht sich eine „Entfesselung der Solarenergie“. Das klingt sehr emotional. Wie hört sich das in Ihren Ohren an?
Wie Musik. Und ja, man muss emotional an das Thema herangehen: Wir haben aktuell in Deutschland knapp 60 Gigawatt installierte Solarleistung und wollen bis 2030 auf 200 Gigawatt erhöhen. Mit norddeutscher Zurückhaltung kommt man da nicht weit.

Noch ein Habeck-Zitat: „Wir wollen den Anteil der Erneuerbaren bis 2030 auf 80 Prozent steigern“. Ist das zu schaffen?

Thomas Walther, Geschäftsführer der Thüga Erneuerbare Energien (THEE), unterwegs im Hamburger Hafenviertel. Dort hat auch die THEE ihren Sitz.

Ich glaube, dass es keine Frage des Wollens ist, sondern wir müssen es schaffen. Denn neben der klaren Verpflichtung, den CO2-Ausstoß massiv zu reduzieren, hat uns die Pandemie gezeigt, wie abhängig wir von globalen Lieferketten sind. Auf mein neues Telefon kann ich sicherlich ein paar Wochen warten. Bei Strom, Wärme und Mobilität ist das unmöglich. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist dabei die berühmte Klappe, mit der man zwei Fliegen gleichzeitig schlagen kann: CO2-Ausstoß runter und Reduzierung der Abhängigkeit von Rohstoffen aus instabilen Regionen der Welt. Wir jedenfalls arbeiten mit Hochdruck an weiteren Solar- und Windprojekten.

Sie nennen das Stichwort instabile Regionen …
Was in der Ukraine passiert, war für mich bis vor Kurzem unvorstellbar. Sie erleben mich noch immer geschockt und wütend. Die vielleicht beste, weil langfristige Sanktion ist die Unabhängigkeit von russischen Gas- und Öllieferungen. Das ist für uns bei der THEE ein weiterer, wenn auch bitterer Ansporn für unsere tägliche Arbeit.

Dem massiven Ausbau der Windkraft stehen viele Herausforderungen gegenüber: lange Planungs- und Genehmigungszeiten, fehlendes Personal, Widerstand von Bürgerinitiativen …
Es stimmt, unter fünf Jahren kriegen wir keinen Windpark umgesetzt. Ein Knackpunkt ist das fehlende Personal auf Landes- oder kommunaler Ebene, dort, wo die Genehmigungsverfahren angesiedelt sind und wo es immer wieder zu Terminverschiebungen kommt. Der öffentliche Dienst ist leider für viele Arbeitssuchende unattraktiv, angefangen von der Bezahlung über die Büroausstattung bis hin zur Digitalisierung. Kein Wunder, dass viele Stellen unbesetzt bleiben.

Was ist also nötig?
Das Beste wäre ein einheitliches Regelwerk für Genehmigungsverfahren. Wir haben das Bundesimmissionsschutzgesetz, aber was in den einzelnen Bundesländern untersucht und vorgelegt werden muss, entscheidet die zuständige Genehmigungsbehörde. Und denken Sie an die unterschiedlichen Abstandskriterien für Windanlagen. Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen haben sie gerade erhöht. In Bayern gilt die Zehn-H-Regelung. Hier ist der Ausbau der Windenergie komplett zum Erliegen gekommen. Der gesamte Prozess muss standardisiert werden.

Warum ist Habeck dennoch so optimistisch, den Ausbau bis 2030 zu schaffen?
Sein Optimismus ist nötig, um in der Öffentlichkeit noch mehr Begeisterung für das Thema zu schüren. Es ist doch so: Jede zweite bis dritte Genehmigung eines Windparks wird im Nachklang beklagt – von Umweltverbänden, von Kommunen, von Bürgerinitiativen. Habeck muss sich bei diesem Thema mit den Bundesländern einigen. Das kann nur gelingen, wenn der Optimismus von oben bis in die Genehmigungsbehörden durchgereicht wird.

Hat Habeck, wenn er über die Energiewende spricht, auch die Stadtwerke im Blick?
Direkt glaube ich nicht, aber er hat die Kommunen auf dem Schirm. Ich finde, dass die Stadtwerke mit ihren Gemeinden und Kommunen ein sehr gutes Verhältnis pflegen. Der Schulterschluss Stadtwerk und Kommune besteht. Momentan erhalten wir verstärkt Anfragen von Partnerunternehmen, Solarprojekte in den Kommunen umzusetzen. Die Anregung dazu kommt durchaus auch proaktiv von der Kommune.