Wie steht es um die Erderwärmung, welche Folgen hat die Klimakrise für uns Menschen? Ein Gespräch mit der Thüga Stabsstelle Energiepolitik über die aktuelle Veröffentlichung des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und was wir ändern müssen, damit wir die Folgen des Klimawandels im Griff behalten können. Und was das für Energieunternehmen bedeutet.

Hitze und Dürre hier, Starkregen und Überschwemmung dort: Über die Folgen des Klimawandels ist jeden Tag vielfach in der Zeitung zu lesen und sie werden auch in Deutschland immer konkreter sichtbar. Eindrücklichstes Beispiel: Die Flut im Ahrtal vor zwei Jahren. Damals starben bei den Überschwemmungen 133 Menschen, und die Aufräumarbeiten dauern bis heute an. Der Schaden lag bei etwa 40 Milliarden Euro.

Im Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der UN beschäftigen sich seit mehr als 30 Jahren hunderte Wissenschaftler:innen ehrenamtlich mit allen weltweit verfügbaren Studien zum Klimawandel – und werten sie alle fünf Jahre für die Politik aus. Das Ergebnis wird intensiv mit den Regierungsvertretern aller 195 Mitgliedsstaaten diskutiert und als „Summary for Policy Makers“ veröffentlicht. Darin steht etwa, wieviel CO2-Emissionen noch in die Atmosphäre gelangen dürfen um die Klimawandel auf 1,5 oder 2 Grad zu begrenzen. Und welche Extremwetter dann in den unterschiedlichen Regionen zu erwarten sind.

Screenshot Bericht des IPCC zum Klimawandel; © IPCC

Deutlich wie nie zuvor: Der Weltklimarat hat drastische Maßnahmen gefordert, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Die 1,5-Grad-Grenze werde schon im nächsten Jahrzehnt überschritten. © IPCC

IPCC: Schnelles Netto-Null und Ende der fossilen Energien

„Die Änderungen müssen umfassend und tiefgreifend erfolgen. Wir müssen das Netto-Null-Ziel bei den Emissionen schnell erreichen und weg von den fossilen Energien, daran lässt der Bericht keinen Zweifel“, fasst Dr. Christian Friebe aus dem Thüga-Politikteam die Kernaussage zusammen. „Das Ganze in einer Geschwindigkeit, die noch niemand gesehen hat. Bei einer schnellen Dekarbonisierung ist eine Begrenzung auf 1,5 Grad möglich.“

Verteilungskämpfe und Mangelwirtschaft

Der Bericht zeigt: Die Alternativen sind allesamt schwer vorstellbar und würden zu massiven gesellschaftlichen Verwerfungen führen. Mit der aktuellen, sehr langsamen Dekarbonisierung steuern wir auf eine Erwärmung 2,2 bis 3,5 Grad im Jahr 2100 zu. Das hätte weltweit massive Folgen, beispielsweise bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln. Der Verlust von Biodiversität wäre immens. Gleichzeitig gäbe es weltweit große Flächen, die für den Menschen nicht mehr bewohnbar sind. Extreme soziale Ungleichheiten und eine Zunahme von Konflikten und Migration wären absehbare Folgen.

Jetzt konsequent umsteuern

Friebe macht jedoch auch Hoffnung: Der Bericht zeigt, dass die Technologien zum Umsteuern bereits verfügbar und auch bezahlbar sind, man müsse sie nur jetzt konsequent einsetzen. „Das ist eine Entscheidung, die von uns allen jetzt und in den nächsten Jahren getroffen wird.“

Fatal wäre es, die Umsteuerung nicht jetzt oder nicht mit allen verfügbaren Mitteln anzugehen. Europa ist laut dem IPCC-Bericht von der globalen Erwärmung stark betroffen: Die Temperatur in Deutschland steigt etwa doppelt so stark wie im prognostizierten weltweiten Durchschnitt. Eine echte Mangelwirtschaft bei Wasser und Ernährung sei deswegen auch in Deutschland keineswegs auszuschließen – mit ihr kämen Verteilungskämpfe um Ressourcen.

Solche sozialen Spannungen sind eine große Herausforderung für die Gesellschaft, aber auch für Unternehmen wie Energieversorger. Politische Planungssicherheit für langfristige Investitionen sei dadurch kaum mehr gegeben, sagt Friebe. Die politischen Flügel und mit ihnen extreme Meinungen würden gestärkt und bekämen viel Zulauf. Das erschwere auch die sachliche Diskussion mit der Politik. Einen ersten kleinen Vorgeschmack erleben wir gerade bei den emotionalen öffentlichen Auseinandersetzungen zum Gebäudeenergiegesetz (GEG).

Klimagemacht: Katastrophe im Ahrtal

Auch die Energieunternehmen und die Versorgungssicherheit im Allgemeinen sind von den Auswirkungen der Erderhitzung betroffen. Extremwetterereignisse wie Überflutungen oder Waldbrände gefährden die Netzinfrastrukturen. Seit den Überschwemmungen im Ahrtal im Juli 2021 sind diese Gefahren auch in Deutschland sehr real geworden. Nahezu die gesamte Energie-Infrastruktur im Tal wurde damals zerstört. „Schwere Gasleitungen aus Stahl waren weggeschwemmt, Gasdruckregelstationen verschwunden, an vielen Stellen war plötzlich nichts mehr“, erinnert sich Marcelo Peerenboom, Pressesprecher der Energieversorgung Mittelrhein (evm). Vom ersten Tag an hatte er die Krisenkommunikation vor Ort übernommen. „Und auch wenn hier viele Effekte ungünstig zusammengelaufen sind, so dass es zur Katastrophe kam, wurden die Überschwemmungen im Ahrtal vom ersten Moment an mit dem Klimawandel in Zusammenhang gebracht.“

Wiederherstellung einer Gasdruckregelstation; © Peerenboom/evm

Der Energieversorger evm machte nach der Ahrtal-Katastrophe 2021 schnell große Fortschritte bei der Wiederherstellung der Erdgasversorgung. Hier wird eine Gasdruckregelstation installiert. Foto: © Peerenboom/evm

Obwohl die Situation gerade in den ersten Tagen aussichtslos erschien, war es dem Versorger evm und seiner Netzgesellschaft gelungen, sehr kurzfristig zu reagieren, eine Notversorgung zu gewährleisten und den Wiederaufbau der Infrastruktur in kurzer Zeit umzusetzen, weiß Peerenboom: „Da ging es um Pragmatismus – das Gasnetz war innerhalb von fünf Monaten wieder aufgebaut. Wenn man das nach einem geordneten Verfahren angeht, mit allen Genehmigungen, Ausschreibungen und Beschaffungsprozessen, braucht man dafür zwei Jahre.“

Solidarität aus ganz Deutschland

Dafür hatte die evm alle Kapazitäten auf das Ziel Wiederaufbau der Gasversorgung ausgerichtet und stets transparent kommuniziert (wofür das Unternehmen auch ausgezeichnet wurde). „Dazu kam eine beeindruckende Solidarität aus ganz Deutschland. Viele Energieversorger haben uns mit Personal, Fahrzeugen und Geräten unterstützt. Damit hatten wir nicht gerechnet und es zeigt auch, dass in einer Notsituation nicht nur jeder auf sich schaut“, erinnert sich Peerenboom.

Wenn die Katastrophe etwas Positives gehabt habe, so Peerenboom, dann habe es die Mannschaft zusammengeschweißt, alle hätten mitgeholfen, Hierarchien seien egal gewesen. Und: „Ich musste niemandem im Unternehmen mehr erklären, welchen Wert klare und transparente Kommunikation in Krisenfällen hat.“

Risikoprofile neu ansehen

Müssen Energieversorger künftig mehr mit Katastrophen wie jener im Ahrtal rechnen? Und sollten sie sich auf Starkregen, Überschwemmungen oder auch Waldbrände anders vorbereiten? „Risikoprofile von Trafostationen und Gas-Verdichterstationen sollte man sich unter dem Gesichtspunkt globaler Erwärmung neu ansehen“, sagt Energiepolitiker Friebe. Auf der anderen Seite dürfte dafür die Umsetzung von Erneuerbaren-Projekten deutlichen Rückenwind erleben.

Wegbereiter EEG

Durch gesetzliche Änderungen gingen sie vielleicht auch deutlich schneller und unbürokratischer vonstatten. Generell gebe es für grüne Technologien sehr gute Aussichten: „Das ist eine richtige Chance, weltweit wird es sehr viel mehr Nachfrage nach Dekarbonisierungs-Technologien geben“, erklärt Friebe. Diese Techniken gezielt zu fördern und die gesamte Wertschöpfungsketten in Deutschland aufzubauen und zu halten, sei der goldene Weg. Bei der Photovoltaik (PV) sei das nach ersten großen Erfolgen dann in den Nullerjahren verpasst worden. Jetzt bietet die aktuelle PV-Strategie der Bundesregierung eine neue Chance.

Foto: Roy Buri/Pixabay; PV-Anlage auf Dach, Landschaft im Hintergrund

Wurde auch international ein Erfolgsmodell: Erneuerbaren-Einspeisung via EEG-Gesetz.

Trotz der Einbrüche bei der heimischen PV-Industrie hat Deutschland einen großen Anteil am weltweiten Erfolg des Sonnenstroms, sagt Friebe: Beispiel ist das EEG, das deutsche Gesetz, das seit mehr als 20 Jahren Solar- und Windstrom die bevorzugte Einspeisung ins Stromnetz sichert. Es wurde zu einem weltweiten Exportschlager, und von mehr als von 100 Ländern übernommen und weiterentwickelt.

„Daran kann man sehen, wenn die Weichen richtig gestellt sind, kann eine Transformation auch schnell gehen“, sagt Friebe. PV und Wind sind in den letzten Jahrzehnten weltweit sehr viel billiger geworden und können nun überall vergleichsweise günstig ausgebaut werden. So hätten Solarprojekte in den Vereinigten Arabischen Emiraten derzeit Stromgestehungskosten von weniger als 2 Cent pro Kilowattstunde, ein richtiger ‚Gamechanger‘, der erst durch das EEG und die damit verbundenen Investitionen der Industrie möglich wurde.

Klimaschutz: Die Zeit wird knapp

„Die Physik ist allerdings ein kompromissloser Verhandlungspartner“, sagt Friebe. „Wir haben keine Zeit mehr, Klimaschutzmaßnahmen nacheinander umzusetzen oder erst einmal nur kostengünstige Maßnahmen voranzutreiben. Das ist vorbei.“ In allen Sektoren und Ländern müssten die Anstrengungen deutlich steigen. Denn viele Klimaveränderungen seien deutlich schneller eingetreten als im letzten IPCC-Bericht von vor fünf Jahren vorhergesehen.

Gesellschaft zahlt 800 Euro pro Tonne CO2

Hauptverantwortlich für den Temperaturanstieg ist das Klimagas CO2. Deswegen hat das Umweltbundesamt (UBA) kürzlich ausgerechnet, dass jede Tonne CO2  etwa 800 Euro Klimafolgekosten für die Gesellschaft verursacht – das UBA nennt das klimawandelverursachte Wohlfahrtseinbußen. Bei knapp elf Tonnen CO2, die jede:r Bundesbürger:in im Schnitt emittiert (insgesamt emittiert die Bundesrepublik 762 Millionen Tonnen), kommt ein Betrag zusammen, der deutlich größer wäre als der jährliche Bundeshaushalt.

Was bedeutet der Klimawandel für Thüga?

Für Thüga als ein Energieversorgungsunternehmen, das in der Wertschöpfungskette rund Energie, Daten und Wasser aktiv ist, bedeutet der Bericht des IPCC zum Klimawandel vor allem eines: Verantwortung. Verantwortung übernehmen für die eigene Geschäftstätigkeit und die eigenen Emissionen.

Erfahren Sie mehr darüber im Interview mit dem Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements der Thüga, Klaas Wolkenhauer.