Welche Folgen hat die Klimakrise für Unternehmen? Ein Gespräch mit dem Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements der Thüga, Klaas Wolkenhauer, über das, was sich durch den Klimawandel für die Thüga und ihre Partnerunternehmen ändert. 

Herr Wolkenhauer, der Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC-Report) ist in vielerlei Hinsicht ernüchternd, der Klimawandel schreitet schneller fort als gedacht. Wie sollten Unternehmen die Ergebnisse betrachten?

Ja, die Szenarien des IPCC sind bedrückend. Es gibt zwei Perspektiven, die man zur Bewertung einnehmen sollte. Da ist einmal die „inside-out“-Perspektive: Wie tragen wir als Unternehmen zu den Emissionen und damit zum Klimawandel bei? Und wie können wir diese Emissionen reduzieren?

Die andere Perspektive ist: Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf uns als Energieversorger, also zum Beispiel auf unsere Infrastruktur? Welche Risiken entstehen dadurch und welche finanziellen Auswirkungen hat das auf uns?

Auf europäischer Ebene gibt es die Taxonomie, die die Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Tätigkeiten transparent machen soll. Hilft die weiter?

Die Taxonomie ist ein Klassifikationssystem, das es Geldgebern ermöglichen soll, ihre Mittel in umweltfreundliche Vorhaben zu investieren. Die EU hat sechs Umweltziele. Die ersten beiden betreffen den Klimawandel; das erste heißt „Mitigation“, Abmilderung des Klimawandels. Mit diesem Umweltziel setzt sich die EU dafür ein, dass es, um es etwas plakativ zu sagen, durch den Klimawandel nicht 3,5 °C wärmer wird, sondern in deutlich geringerem Ausmaß. Da sollen natürlich Investoren und Unternehmen ihren Beitrag leisten.

Das zweite Ziel heißt „Adaption“, Anpassung. Das betrifft zum Beispiel Städte, in denen es durch den Klimawandel heißer wird, aber ebenso Unternehmen. Denn als Energieversorger müssen wir uns die Frage stellen: Was passiert, wenn beispielsweise durch den Klimawandel Extremwetterereignisse zunehmen? Was tun wir, wenn es eine Drei-Monats-Dürre gibt, das Kühlwasser für Kraftwerke und unsere Wasserkunden knapp wird oder durch Waldbrände Assets kaputtgehen? Wir müssen uns resilient machen und anpassen, um keinen Schaden zu erleiden. Die einzelnen Wertschöpfungsstufen müssen sich auf Stress-Szenarien einrichten. Netzbetreiber und Erzeuger brauchen Notfallpläne, wenn bestimmte Ereignisse eintreten. Sie müssen sich fragen lassen: Gibt es Redundanzen bei Betrieb und Versorgung, aber genauso: Sind wir für besondere Ereignisse ausreichend versichert – dort, wo das möglich ist?

Müssen Unternehmen angesichts der Lage jetzt alles dem Klimaschutz unterordnen?

Das nicht, aber der Nachhaltigkeitsgedanke und speziell die Klimaziele sollten definitiv bei jeder unternehmerischen Entscheidung deutlich stärker als bisher berücksichtigt werden. So müssen zum Beispiel die CO2-Emissionen und damit auch die CO2-Folgekosten bei Investitionsentscheidungen ausreichend angerechnet werden. Wichtig ist auch eine Klima-Resilienz des jeweiligen Projekts, also dass ein Projekt auch unter den Bedingungen des Klimawandels noch Sinn macht und sicher ist.

 Screenshot Nachhaltigkeits-Website

Thüga hat ein klares Nachhaltigkeits-Konzept: Mit einer nachhaltigen Wirtschaftsweise wollen wir zu einer zukunftssicheren Daseinsvorsorge beitragen.

Was kann die Thüga konkret tun, um die ökologischen Auswirkungen des Geschäftsmodells zu begrenzen?

Wenn es um die Abmilderung des Klimawandels, also das Thema „Mitigation“ geht, denke ich an erster Stelle an die CO2-Bilanz. Die fällt aufgrund der kommenden gesetzlichen Vorschriften bei allen großen Unternehmen sehr umfassend aus, da sie die vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette mit einbezieht und damit alle Emissionen im Verantwortungsbereich eines Unternehmens bezeichnet. Die CO2-Bilanz ist Ausgangspunkt für eine Strategie, wie diese Emissionen auf Netto-Null gebracht werden sollen. Mit verschiedenen Maßnahmen haben wir bei der Thüga schon angefangen. Inhouse-Maßnahmen wie Öko-Strom oder die Optimierung von Heizungen in Gebäuden gehören sicher zu den Klassikern. Wo wir sicherlich noch besser werden müssen, ist der Bereich Mobilität, zum Beispiel durch die Umstellung des Fuhrparks und der Dienstwägen auf Elektromobilität.

Aber vor allem müssen wir das “Energiewirtschaftliche”, also das Kerngeschäft unserer Partnerunternehmen,  angehen, insbesondere bei der Erzeugung. Die TOP-3-Themen im Nachhaltigkeitsmanagement der Thüga sind die Dekarbonisierung der Gasversorgung, der Wärmeversorgung und der Stromversorgung. Unser Hebel liegt in der Gesellschafterstellung und in unserem Beratungs- und Dienstleistungsangebot.

Als Thüga unterstützen wir mit diversen Maßnahmen den Um- und Ausbau der Erzeugungsanlagen unserer Partnerunternehmen, hin zu einer weitgehend dekarbonisierten Strom- und Wärmeerzeugung, wie zuletzt bei Projekten in Braunschweig oder Chemnitz Wir unterstützen unsere Partnerunternehmen auch bei der Transformationsplanung von Wärmenetzen und bei der Mitgestaltung der kommunalen Wärmeplanung. Auf Seite der Kunden entwickeln wir Maßnahmen und Produkte, um den Absatz von Strom aus erneuerbaren Energien zu steigern.

Der Gasnetzbetrieb ist auch mit Emissionen verbunden – und da meine ich nicht nur das Verfeuern von Gas in der Heizungstherme, sondern den Verlust auf dem Leitungsweg zum Hausanschluss. Es laufen Projekte, diesen zu minimieren; unsere Netzgesellschaft ist da schon recht weit fortgeschritten. Gleichzeitig machen wir die Leitungsnetze fit für den Weiterbetrieb mit dekarbonisierten Gasen. All diese Maßnahmen sind Bestandteil unseres Nachhaltigkeitsprogramms, das wir im Rahmen des Nachhaltigkeitsberichts veröffentlichen.

Wirkt sich der Klimawandel langfristig auf die Unternehmensstrategie aus?  

Wir sollten uns einen Punkt deutlich vor Augen führen: Als Energieversorger leben wir von Mengen, unser Umsatz ist, vereinfacht gesagt, Menge mal Preis. Schlicht gesprochen bedeutet das: Wir verdienen mehr Geld, je mehr Energie verbraucht wird – das ist unser Geschäftsmodell.

Hier stellt sich die Frage, ob man diese Perspektive nicht in Zukunft ergänzen muss. Aus gesellschaftlicher Sicht muss der Umgang mit Energie effizienter werden – schließlich kommen nicht einmal erneuerbare Energien gänzlich ohne Umweltauswirkungen daher. Ich glaube, dass wir eine Verpflichtung haben, künftig noch stärker darauf hinzuwirken und dabei zu unterstützen, dass die Letztverbraucher effizienter mit Energie umgehen und Energie sparen.

Wie steht es um die Erderwärmung, welche Folgen hat die Klimakrise für uns Menschen?  Lesen Sie mehr zu diesem Thema: Ein Gespräch mit der Thüga Stabsstelle Energiepolitik.