Die Kundschaft benötigt Lösungen für ihre persönliche Energiewende zu Hause. Handwerker sind für die Umsetzung der Energiewende bei Endverbraucher:innen wichtig, aber derzeit Mangelware. Energieversorger können mit bestehenden Betrieben kooperieren, eigene Kapazitäten aufbauen oder auf Mischformen setzen, um Fulfillment-Leistungen vor Ort anzubieten. Sie bedeuten einen hohen Teil der Wertschöpfung. evm und Mainova haben Erfahrungen gesammelt.

Der Fachkräftemangel macht auch vor der Energiewende nicht halt. Bei der Frage, wie die neue Heizung in den Keller kommt oder die Photovoltaikanlage aufs Dach, können die fehlenden Handwerker zum Hemmschuh für die Dekarbonisierung der Strom- und Wärmeversorgung werden. Gleichzeitig liegt genau in dieser Leistung vor Ort – neudeutsch: Fulfillment – ein hoher Teil der Wertschöpfung. Von der Beratung bis zur ersten selbst erzeugten oder gesparten Kilowattstunde lässt sich vieles im Gesamtprozess per künstlicher Intelligenz vereinfachen und beschleunigen. Die Handarbeit vor Ort nicht.

Stefanie Bautz aus dem Kompetenzteam Vertrieb und Marketing der Thüga: „Energieversorger haben grundsätzlich drei Möglichkeiten, sich hier zu organisieren: Kooperationsmodelle mit dem lokalen Handwerk eingehen, eigene Kapazitäten aufbauen oder Mischformen dieser beiden Optionen realisieren.“

KooperationsmodellViele Hände zusammen, Gemeinschaft und Zusammenhalt für Gute Unternehmensführung; Quelle: Hannah Busing, Unsplash.com

Der große Vorteil der Kooperation mit dem lokalen Handwerk: Die Unternehmen sind schon vor Ort eingeführt. Der Einstieg ins Geschäft gelingt vergleichsweise schnell und muss nicht über Jahre aufgebaut werden. Doch ist die Auslastung der Betriebe derzeit hoch, das Interesse an Kooperationen entsprechend gering. Dennoch spricht einiges für sie. Bautz: „Energieversorger bringen nicht nur neue Kunden mit an den Verhandlungstisch. Die Übernahme buchhalterischer Prozesse, das Erledigen der Erstberatung oder der Angebotserstellung, die gemeinsam genutzte Softwareplattform zur Projektsteuerung und auch der zentrale Einkauf können relevante Themen sein.“

Beteiligung, Übernahme, Gründung

Um die Arbeiten vor Ort selbst in die Hände zu nehmen, können Energieversorger bestehende Handwerksbetriebe alternativ anteilig oder komplett übernehmen. Ein neues Unternehmen zu gründen, ist eine weitere Option. „Die höhere Wertschöpfung und die klarere Kontrolle über die Arbeiten sprechen dafür“, sagt Bautz. Allerdings sind mit der eigenen Geschäftstätigkeit auch der hohe Investitionsbedarf und das unternehmerische Risiko verbunden. Genauso gehört es nicht zu den leichtesten Aufgaben, die nötigen Fachkräfte zu akquirieren.

Erfahrungen von Energieversorgung Mittelrhein

Als Unternehmen mit ausdifferenziertem Angebot an Energiedienstleistungen lag es für die Energieversorgung Mittelrhein (evm) nah, sich dem Thema Handwerksleistungen selbst zu widmen. Florian Sürie, verantwortlich für Produkte und Dienstleistungen bei der evm, berichtete beim dritten Thüga-Forum Lösungsvertrieb rund um das Thema Fulfillment: „Wir befinden uns seit der strategischen Neuaufstellung 2017/18 in der Transformation zum Lösungsanbieter. Damit wollen wir das Commodity-Geschäft nicht ersetzen, aber klar ergänzen.“ Eine gewaltige Umstellung. „Bis dahin waren wir nie bei unseren Kunden auf dem Dach oder in der Garage gewesen und nur selten im Keller.“ Inzwischen hat evm zahlreiche Photovoltaikanlagen, Gasheizungen, Wärmepumpen und Wallboxen verbaut.

Gestartet ist evm mit einem Kooperationsmodell. Doch die Erfahrungen waren „durchwachsen“, sagt Sürie. „Die Koordination war sehr aufwendig, die Qualität unterschiedlich. Hinzu kam, dass es auch Handwerksbetriebe gab, die tendenziell die eigenen Kunden bevorzugt behandelt haben. Außerdem war die Personalfluktuation sehr hoch.“ Ausschlaggebend für das eigene Engagement war allerdings die Margenerwartung. Sürie dazu: „Unser Projektanteil bestand in der Kooperation vor allem in den Vertriebsaufgaben.“ Gemessen am Gesamtprojektumfang ein sehr kleiner Teil. Man wollte mehr.

Neugründen

Angefangen hat die evm Service GmbH 2020 mit einem Meister und einem Heizungsmonteur. Personalstand heute: 51 Mitarbeitende. „Die lokalen Handwerker, meist auch Kunden der evm, waren nicht alle begeistert“, sagt Sürie und verweist auf einen möglichen Zielkonflikt. „Aber ihre Auslastung war ohnehin hoch. Der Unmut hielt sich in Grenzen.“

Die eigentlichen Herausforderungen stellten sich erst nach der Gründung. Sürie schaut zurück: „Wie teilen wir die Aufgaben zwischen Mutterkonzern und neuem Unternehmen auf? Wie gehen wir mit Stellenwechsel um? Wie gestalten wir die Prozesse effektiv? Und vor allem: Wie überzeugen wir zukünftige Mitarbeitende?“ Sein Fazit: Der Schritt hat sich zweifelsfrei gelohnt. Das unterstreichen die Zahlen von 2022: Knapp 500 PV und 250 Heizungssysteme wurden verkauft. Und die Zeichen stehen weiter auf Wachstum.

Mainova-Beteiligung an Solea

Einen anderen Weg gehen die Verantwortlichen bei der Mainova, wenn es um größere PV-Projekte geht. Ende August hat der Energieversorger aus dem Raum Frankfurt am Main 74,9 Prozent der Geschäftsanteile am Projektentwickler und Photovoltaik-Generalunternehmer Solea AG übernommen. Damit baut Mainova Geschäftsfeld und Know-how rund um den Wachstumsmarkt der erneuerbaren Energien mit einem Schlag signifikant aus. Solea aus dem bayerischen Plattling verfügt mit seinen rund 30 Mitarbeitern über eine langjährige Expertise bei Solarstromprojekten, die weit über die Kapazitäten von einzelnen Eigenheimbesitzern hinausgehen. Mainova-Vorstand Martin Giehl spricht vom „umfassenden Ausbau des eigenen Erzeugungsportfolios“.

  Kooperation eigene Kapazitäten/Beteiligungen  Mischformen
PRO
  • schneller Einstieg ins Geschäft
  • Profilierung als zentraler Ansprechpartner
  • Regelung der Zusammenarbeit/
    Zielvereinbarungen
  • flexible Anpassungen an die Bedingungen vor Ort
  • schnelle Ausdehnung in der Fläche
CONTRA
  • vergleichsweise geringe Wertschöpfung
  • Abhängigkeit vom jeweiligen Handwerksbetrieb
  • Konflikte mit vorhandenen Handwerkern/Innungen
  • Investitionsbedarf
  • Fachkräfteakquise
  • großer Steuerungsbedarf
Worauf achten? Regelung der Zusammenarbeit/
Zielvereinbarungen
engagierte Unternehmenssteuerung lokal optimal ausgesteuerte Lösungen