Die Energiewende gelingt nur mit zukunftsfähigen Stromverteilnetzen. Ein groß angelegtes Strategieprojekt hat 2022 Herausforderungen und Maßnahmen für die Thüga-Gruppe definiert. Fünf Top-Maßnahmen werden 2023 umgesetzt – weitere folgen in 2024.

„Unbestritten ist, dass durch die ambitionierten politischen Klimaziele große Netzverstärkungen nötig sind“, sagt Dr. Michael Kramer aus dem Thüga-Kompetenzcenter Netzstrategie. Gemeinsam mit Julia Holl leitete er das Strategieprojekt „Zukunftsfähige Stromnetze für die Transformation und Sektorkopplung des Energiesystems“, an dem fünf Netzbetreiber der Thüga-Gruppe teilnahmen. Nun geht das Strategieprojekt in einzelne Umsetzungsprojekte über. „Da die Netzbetreiber der Thüga-Gruppe rund zwölf Prozent der insgesamt knapp zwei Millionen Kilometer Stromleitungen in Deutschland besitzen, war es logisch, ihr Know-how und ihre Erfahrung zu bündeln“, sagt Kramer.

Mehr Netz braucht mehr Personal, Kapital, Material

Am Projekt mitgewirkt haben sowohl Flächenversorger als auch Netzbetreiber im städtischen Raum – ihre Fallbeispiele belegen die unterschiedlichen Herausforderungen: Ein Flächenversorger rechnet beispielsweise mit einer Zunahme des EE-Ausbaus von 260 Prozent bis 2040. Ein städtischer Versorger geht aktuell von einer Lastentwicklung von plus 140 Prozent bis 2050 aus. Höhere EE-Einspeisungen auf der einen sowie höhere Lasten durch mehr Wärmepumpen, E-Mobilität oder Rechenzentren auf der anderen Seite: Die Masse neuer Leistungsbedarfe kann für Netzüberlastungen sorgen. „Wir erwarten einen deutlich stärkeren Netzausbau als die zehn Prozent in den letzten zehn Jahren“, so Kramer. Der Ausbau der Stromverteilnetze erfordere weiteres Personal, Kapital und Material. „Zusätzlich ist von einem steigenden Wettbewerb um Stromkonzessionen aufgrund der Unsicherheiten in den Geschäftsfeldern Gas und Gasnetze auszugehen.“

Definition von Lösungsansätzen

Die Projektgruppe hat im Laufe des letzten Jahres die Herausforderungen analysiert und Lösungsansätze definiert. Die definierten Maßnahmen werden nun – wieder gemeinsam im Thüga-Netzwerk – angegangen. Weitere Partnerunternehmen sind jederzeit willkommen, in einer der Projektgruppen mitzuwirken!

Strategieprojekt „Zukunftsfähige Stromnetze“ Die Top-Maßnahmen für 2023:

  • Netzplanung
    •  Projekt „Entwicklung von    Regionalszenarien“
    •  Organisation Netzberechnungssoftware für Niederspannung
  • Netzausbau
    •  Austausch zu Bürger-Informationskampagnen
    •  Standardisierung von Netzkomponenten
  • Netzmanagement
    •  Projekt „Zielbild Netzmanagement“
    •  Netzebenenübergreifende Prognose
  • Personalstrategie
    •  Best-Practice-Austausch zur Personalsuche Monteure

Thorsten Schmude, Prokurist und Bereichsleiter Netzkonzeption und Netzkoordination, NRM Netzdienste Rhein-Main GmbH:

„Ich bin ein Fan von Kooperationen, insofern hat mir der Austausch und die Mitarbeit im Strategieprojekt großen Spaß gemacht. Ich bin außerdem ein Fan von Standardisierung – und viele der erarbeiteten Maßnahmen zahlen darauf ein. Wir müssen größer und lösungsorientiert denken, weg von der Kleinteiligkeit. Natürlich gibt es zwischen den Netzbetreibern Unterschiede, aber wir alle haben eine Versorgungsaufgabe, bei der die Gemeinsamkeiten sicherlich überwiegen. In Frankfurt rechnen wir mit einem sehr hohen Anstieg des Strombedarfs, einerseits bedingt durch die großen Rechenzentren, andererseits durch mehr Wärmepumpen, um die Wärmewende umzusetzen. Die Stadt Frankfurt hat Klimaneutralität bis 2035 beschlossen. Wenn dieses Ziel überwiegend über Wärmepumpen erreicht wird, heißt das:  Wir müssen die gesamten Nieder- und Mittelspannungsnetze in diesen Bereichen komplett erneuern. Das wird nur mit deutlich schnelleren Genehmigungsverfahren funktionieren.“

Marcus Junghans, Bereichsleiter Asset Management, TEN Thüringer Energienetze:   

„Wir haben es sehr begrüßt, mit Häusern, die zwar unterschiedliche Grundvoraussetzungen, aber eine ähnliche Betroffenheit haben, in den Dialog zu kommen und die Top-Themen zu priorisieren. Durch den Austausch sehen wir uns auch in der eigenen Vorgehensweise bestärkt. Standardisierung wird bei der Komplexität immer wichtiger, denn die gesamte Branche steht vor der riesengroßen Aufgabe, einen System- umbau in ungefähr zwei Jahrzehnten zu realisieren. In unserem Netzgebiet liegen uns derzeit rund 100 Anfragen für den Anschluss an das Hochspannungsnetz vor. Zum Vergleich: Das ist das Zwanzigfache von vor etwa sieben Jahren. Neben dem Netzausbau haben wir auch viele neue Anforderungen vor uns, wie zum Beispiel die Umsetzung des §14a EnWG.“