Die Covid-19-Pandemie hat die Welt im Griff. Sie kostet Menschenleben, verändert den Alltag und bedroht unsere wirtschaftliche Existenz. Bei der Bekämpfung der Krise werden deshalb viele andere Themen an den Rand gedrängt. Was passiert beispielsweise mit den energie- und klimapolitischen Zielen und Gesetzesvorhaben? Werden sie durch die prognostizierte Rezession zur Makulatur?

Markus Wörz, Leiter der Thüga-Stabsstelle Energiepolitik Deutschland, ist verhalten optimistisch: „Momentan wird zwar durch Corona das gesamte Politikgeschäft überlagert. Nichtsdestotrotz will die Bundesregierung an den bisher getroffenen Klimaschutzmaßnahmen festhalten. Und diese auch mit den bisherigen Fristen umsetzen. Das ist grundsätzlich richtig. Ob es dann so kommt, werden wir sehen.“

Immerhin: Beim Petersberger Dialog Ende April sprach sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel klar dafür aus, den Weg aus der Krise mit grünen Konjunkturprogrammen zu verknüpfen. Dass die deutschen klimapolitischen Maßnahmen nicht völlig unter die Räder kommen, hängt auch damit zusammen, dass Deutschland in zwei Monaten den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernimmt, erklärt Eva Hennig, Leiterin der Thüga-Stabsstelle Energiepolitik Europa: „Für Deutschland ist die halbjährige Ratspräsidentschaft ein Großereignis, bei dem Merkel und ihre Ministerinnen und Minister vor allem in der Klimapolitik punkten wollen. Angedacht ist auch, im Energiebereich den Wasserstoff in Brüssel zu pushen. Allerdings ist festzustellen, dass die Nationale Wasserstoffstrategie, die wir im Entwurf kennen, zurückhaltender ist als die bereits laufenden Diskussionen in Brüssel. Wenn Deutschland damit in Brüssel punkten will, muss die Bundesregierung noch mehr draufpacken – gerade im Wärmebereich.“

Der Green Deal als Hoffnung für Europa

Fest steht: Während die Regierungen Strategien entwickeln, um die größten wirtschaftlichen Einbrüche abzufedern, arbeiten die Klimapolitiker unverdrossen weiter. Stichwort Green Deal: Mit diesem ehrgeizigen Projekt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will die EU bis 2050 klimaneutral werden. Hat dieses Projekt angesichts der Kosten von einer Billion Euro derzeit überhaupt noch eine Chance? Eva Hennig ist zuversichtlich: „Es ist nicht zu erkennen, dass der Green Deal abgesagt ist, im Gegenteil. Alle Beteiligten sind hoch motiviert. Nach einer sehr kurzen Umstellzeit auf Homeoffice infolge der Covid-19-Pandemie jagt eine virtuelle Konferenz die andere.“ Auch die Wasserstoffprojekte der Thüga-Gruppe laufen weiter, wie beispielsweise das Leuchtturmprojekt in Heide. Hennig: „Dadurch gewinnt die Thüga-Gruppe auch in diesem Bereich an Sichtbarkeit. Wir zeigen, wie ernst uns das Thema ist und dass wir Zeit und Geld investieren.“

Deutschland: Die Zeit drängt

Wegen der Pandemie liegen wichtige energie- und klimapolitische Gesetzesvorhaben derzeit auf Eis und werden nicht verabschiedet. Doch die Zeit für Regelungen ist auch für die Energiewirtschaft und die Thüga-Partnerunternehmen knapp. Zwei aktuelle Themen der deutschen Energiepolitik:

Brennstoffemissionshandel

Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), das den nationalen Emissionshandel in den Sektoren Verkehr und Gebäude regeln soll, ist zwar Ende 2019 in Kraft getreten. Doch der niedrige Einstiegspreis stieß auf heftige Kritik. „Zehn Euro pro Tonne Kohlendioxid wurde übereinstimmend als viel zu niedrig eingestuft, um Anreize für eine wirksame Lenkung zu setzen“, erklärt Markus Wörz, Leiter der Thüga-Stabsstelle Energiepolitik Deutschland. Daher einigten sich Bund und Länder noch letzten Dezember darauf, den Einstiegspreis auf 25 Euro zu erhöhen. Doch die dafür dringend notwendige Novellierung des BEHG ist nach wie vor, wohl auch wegen der Corona-Krise, noch nicht durchs Kabinett. „Erschwerend kommt hinzu, dass viele Details des neuen Handelssystems noch nicht geregelt sind“, erklärt Wörz. 14 Verordnungsermächtigungen sind vorgesehen, drei besonders relevante Verordnungen will das Bundesumweltministerium noch vor der Sommerpause vorlegen. Zeit wird es. Wörz: „Da das BEHG am 1. Januar 2021 umgesetzt werden soll, brauchen Thüga-Partnerunternehmen so rasch wie möglich Klarheit über die künftigen Prozesse, die in Verordnungen geregelt werden.“

Kohleausstieg/Kraftwerksvorhaben

Auch beim Kohleausstiegsgesetz und der damit verbundenen kleinen Novelle des KWKG ist die Frage, ob es noch vor der
Sommerpause verabschiedet wird. Wörz: „Zwar ist das der Wunsch des BMWi, aber die Befassung im Bundestag steht noch aus und aufgrund der EU-Transparenzrichtlinie darf das Gesetz nicht vor dem 13. Juni 2020 verabschiedet werden. Danach muss es noch mal durch den Bundesrat, und viel Zeit bis zur parlamentarischen Sommerpause bleibt dann nicht mehr.“
Durch die Corona-Krise kommt es zudem zu Verzögerungen bei Kraftwerksvorhaben – auch in der Thüga-Gruppe. Das kann dazu führen, dass gesetzliche Fristen nicht eingehalten werden und eventuell Fördertatbestände entfallen, die fest in die Wirtschaftlichkeitsprüfungen einbezogen sind. Wörz rät den Partnerunternehmen daher, alle Corona-bedingten Auswirkungen im Unternehmen bestmöglich zu dokumentieren. „Wenn sich die Situation beruhigt hat, werden wir diese Informationen mit der Politik besprechen. Ich bin mir sicher, dass sich gemeinsam pragmatische Lösungen finden lassen.“