Verflüssigtes Erdgas, das sogenannte LNG – Liquified Natural Gas – wird zunehmend als Möglichkeit genannt, das russische Erdgas teilweise zu ersetzen. Was ist LNG überhaupt und welche Chancen bestehen, es in unsere Energieversorgung zu integrieren? Cornelius Reisch und Dr. Stephan Hausl, Analysten und Händler bei Syneco Trading, geben Antworten.

Herr Reisch, Medien verwenden in Zusammenhang mit dem verstärkten Import von LNG den Begriff Flüssiggas. Ist das korrekt? Sind LNG und Flüssiggas dasselbe?
Nein, es besteht ein Unterschied: Als LNG bezeichnet man Erdgas, das zu Lagerungszwecken und für den Transport durch einen physikalischen Prozess verflüssigt wird. Dabei wird das Erdgas auf minus 162 Grad Celsius abgekühlt, wodurch sich sein Volumen um das 600-Fache verringert. Und dieses Erdgas besteht vor allem aus Methan. LNG ist also Erdgas im flüssigen Zustand. Der Begriff Flüssiggas dagegen bezeichnet alle Gase, die im flüssigen Zustand gelagert werden. Beispielsweise Sauerstoff, Stickstoff und Propan.

Welche Vorteile hat LNG?
Größter Vorteil ist seine Flexibilität hinsichtlich des Transports. LNG lässt sich per Schiff, mithilfe spezieller Tankschiffe auf der ganzen Welt transportieren und so Produktionsländer mit den Verbrauchsländern verbinden. Immer vorausgesetzt, dass die nötige Infrastruktur vor Ort vorhanden ist. Ein weiteres Argument ist, dass man weniger von politischen Entwicklungen abhängig ist: Ein Seetransport betrifft in der Regel keine Drittstaaten.

Gibt’s auch Nachteile?
Ein Nachteil ist, dass LNG kostenintensiv ist. Der Prozess der Verflüssigung, des Transports und der Regasifizierung verbraucht sehr viel Energie und die Kosten liegen um ein Vielfaches höher als die Transportkosten via Pipeline. Zur Veranschaulichung: Der Break-even-Point, also die Gewinnschwelle, an der der Transport des LNG gleich mit dem Transport via Pipeline wäre, liegt bei 16.000 Kilometern. Das ist aber eine Distanz, die auf der Welt nie mit einem solchen Tanker zurückgelegt wird.

Das bedeutet auch, dass die Klimabilanz nicht die beste ist?
Durch Verflüssigung, Transports und Regasifizierung ist der CO2-Abdruck schlechter als die Versorgung mittels Pipeline. Ein Erdgaskette ist immer nachhaltiger als eine LNG-Kette. Zudem wird aus einigen Ländern, wie den USA, Fracking-Gas als LNG exportiert, was die CO2-Bilanz nochmals verschlechtert. Leider müssen wir im Moment akzeptieren, dass die ökologischen Aspekte bei der aktuellen Unsicherheit der Energieversorgung in den Hintergrund treten.

Herr Dr. Hausl, welche Rolle hat LNG bei der Energieversorgung Deutschlands bislang gespielt?
Bis zum Ausbruch des Kriegs in der Ukraine hat LNG keine Bedeutung für Deutschland gehabt. Wir betreiben ja auch keine LNG-Terminals. Indirekt hat Deutschland aber schon von LNG profitiert, und zwar durch Importe aus den Nachbarländern. In Europa existieren 36 LNG-Terminals, einige in unseren Nachbarländern, etwa in Polen und Niederlande. Sprich, wenn LNG-Tanker dort ihr Gas ins Netz einspeisten, konnte es zum Austausch zwischen diesen Ländern und Deutschland kommen. Wenn beispielsweise das holländische Netz mehr Gas im Netz hatte als es benötigte, wurde es auf Anfrage nach Deutschland exportiert. Nur in Zeiten hoher Nachfrage, wie aktuell, sind diese Terminals stark ausgelastet. Deutschland könnte möglicherweise nicht so viel Gas importieren, wie es benötigt. Deshalb wäre es besser, wenn Deutschland eigene Terminals besäße.

Die gerade mit Nachdruck geplant werden …
Stimmt, geplant werden sie seit einigen Jahren, sie sind aber immer am politischen Willen und an den politischen Rahmenbedingungen gescheitert. Die Politik hat gedacht, man könne auf die Terminals verzichten, da Russland günstig Erdgas liefert. Nun, das ist jetzt nicht mehr der Fall. Insofern steht LNG plötzlich ganz oben auf der politischen Agenda. Bis Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres soll in Wilhelmshaven ein schwimmendes LNG-Terminal in Betrieb gehen. Feste Terminals sollen in Stade, Brunsbüttel und auch in Wilhelmshaven entstehen. Da aber die Genehmigungsverfahren und der Bau der benötigten Anlagen normalerweise mehrere Jahre dauern, lassen sich nicht kurzfristig die Kapazitäten von LNG beliebig hochfahren.

Welche Länder verfügen über LNG?
Australien und Katar exportieren am meisten mit je 22 Prozent Marktanteil, an dritter Stelle befinden sich bereits die USA mit 13 Prozent, danach kommt Russland mit 8 Prozent.

Von dort wollen wir aber nichts mehr …
Genau.

Welche Herausforderungen bestehen beim Transport von LNG?
Die größte Herausforderung ist die Kühlung. Die Temperatur muss konstant bei minus 162 Grad Celsius gehalten werden, das frisst Energie. Auf den Weltmeeren sind knapp 600 LNG-Tanker unterwegs, die über die notwendige Technik verfügen.

Herr Reisch, wie kommt LNG zu den Kunden?
Wenn es Terminals mit entsprechender Infrastruktur gibt, wird das LNG an Land gepumpt, dort gelagert und regasifiziert, anschließend ins Gasnetz eingespeist. Da die Infrastruktur und die Prozesse kostenintensiv sind, lohnen sich nur große Terminals.

In welchem Umfang will Deutschland LNG importieren?
Insgesamt will die Bundesregierung die LNG-Kapazitäten so weit ausbauen, dass sie 20 Prozent des deutschen Gasverbrauchs decken könnte. Das hängt aber stark von verschiedenen Kriterien ab, wie beispielsweise den Preisen und der Angebotslage. Fest steht: LNG ist für die künftige Energieversorgung unerlässlich.

Handelt Syneco künftig mit LNG?
Der Einkauf von LNG ist nicht geplant, wir handeln auch künftig mit Erdgas. Den Einkauf von LNG übernehmen die großen Player am Markt wie RWE oder Uniper. Es wird Firmen geben, die sich um den Einkauf und Transport von LNG kümmern, die das dann auch ins deutsche Gasnetz einspeisen. Wenn das Gas erst einmal im deutschen Netz ist, wird es vermischt mit Gas aus Norwegen oder Holland, dann gibt es keine Unterscheidung mehr.