“Seit vier Wochen haben wir zum ersten Mal seit Jahren keine unbesetzte Stelle“, sagt Paul Gehrig, Geschäftsführer Stadtwerk Tauberfranken. “Selbst für die technischen Bereiche ist es uns gelungen, qualifizierte Bewerber zu finden.“ Dass Gehrig aktuell die Lage auf dem Stellenmarkt so entspannt sieht, hat eine Vorgeschichte. “Wir haben dezidiert an unserem Image gearbeitet“, erklärt er. “Durch Kooperationsverträge mit Schulen und Einladungen von Schülerinnen und Schüler zu uns ins Stadtwerk konnten wir unsere Azubi-Stellen besetzen, bevor sie überhaupt ausgeschrieben waren.“ Es gibt aber auch externe Gründe, weshalb das Stadtwerk Tauberfranken personell gerade aus dem Vollen schöpfen kann. Gehrig: “Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands lahmt. Ein Stadtwerk genießt noch immer den Ruf, ein sicherer Arbeitgeber zu sein. Davon profitieren wir.“ Auch die schwächelnde Automobil-Industrie spült Arbeitskräfte in Richtung Stadtwerk Tauberfranken. “Zum ersten Mal können wir mit der Industrie konkurrieren.“ Ein weiterer Baustein bei der Personalplanung: die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu analysieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Seit über zehn Jahren hat das Stadtwerk Tauberfranken deshalb über die eigentliche Ausbildungsquote hinaus eingestellt. Damals wurde es hinterfragt, heute werden wir dafür gelobt.“ Auch Social-Media-Kanäle – wie LinkedIn – spielen beim Stadtwerk eine zunehmend bedeutende Rolle, um Fachkräfte zu gewinnen, die Arbeitgebermarke zu stärken und frühzeitig mit potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern in Kontakt zu treten.
Thüga-Partnerunternehmen setzen bei der Personalplanung unter anderem auf Duale Hochschulen mit energiewirtschaftlicher Spezialisierung. Zum Beispiel das Stadtwerk Tauberfranken und die EWR Netz GmbH in Erfurt.
Von Schul-Kooperationen bis Duales Studium
Engagement für Dual-Studierende
Auch die Duale Hochschule Bad Mergentheim (DHBW) ist ein wichtiger Partner in der Personalplanung des Stadtwerks. Durch die Zusammenarbeit können engagierte Auszubildende nahtlos den Weg in ein Duales Studium fortsetzen und ihre berufliche Entwicklung im Unternehmen gezielt weiterführen. Interessierte können zwischen Wirtschaftsingenieurwesen, BWL-International Business, BWL-Digital Business Management, BWL-Gesundheitsmanagement und Angewandte Informatik wählen. Gehrig selbst sitzt im Beirat und ist Mitglied der Stiftung. Zu seinen begleitenden Aufgaben gehört etwa, die Attraktivität des Standorts zu vergrößern, Wohnraum für Studierende zu schaffen und interessante Exkursionen für Studierende zu ermöglichen. “Das Interesse am Dualen Studium ist gewachsen“, sagt Gehrig. “Das kommt uns zugute. Wir freuen uns, wenn wir so qualifizierte Mitarbeitende gewinnen können. Manche von ihnen setzen später noch einen berufsbegleitenden Master drauf. Auch das ist an der DHBW möglich.“
Zahlreiche Bemühungen zahlen sich aus
Noch etwas scheint sich seiner Meinung nach zu drehen: “Stand in den vergangenen Jahren die Work-Life-Balance bei unseren jungen Bewerberinnen und Bewerbern ganz vorne auf der Wunschliste, verändern sich gerade die Prioritäten,“ sagt Gehrig. “Jetzt ist ein sicherer Job das Wichtigste.“ Das zeige sich auch in der Abbrecherquote bei den Azubis, die weit unter dem Durchschnitt liege. “Wir könnten uns erstmal ein wenig entspannen, tun das aber nicht“, sagt Gehrig. “Denn unsere zahlreichen Bemühungen zahlen sich aus.“
Duale Hochschule Gera/Eisenach
“Ich bin sehr zufrieden“, sagt Frank Heidemann, Geschäftsführer der SWE-Netz GmbH, eines Unternehmens der Stadtwerke Erfurt Gruppe. Der Grund für seine gute Laune: Im September haben 13 Studierende ihr betriebswirtschaftliches Studium in der Studienrichtung Dienstleistungsmanagement mit dem neuen Wahlpflichtschwerpunkt Energiewirtschaft bei der Dualen Hochschule Gera/Eisenach begonnen. “Dafür haben wir gekämpft“, sagt Heidemann. “Schließlich brauchen Stadtwerke und Energieversorger Mitarbeitende, die sich sowohl in der Energiewirtschaft als auch im Dienstleistungs- und Digitalisierungsmanagement auskennen.“ Bislang gab es diese spezialisierte Studienrichtung nicht. Ein Grund für Heidemann und Fachkollegen aus seinem beruflichen Netzwerk, sich zu überlegen, wie man einen solchen Studiengang aufbauen könnte. “Natürlich müssen wir an die Zukunft denken. Daran, wie wir für unsere Stadtwerke und Netzgesellschaften qualifiziertes Personal heranziehen, mit dem wir die komplexen Aufgaben in der Marktkommunikation oder im Prozess- und Projektmanagement bewältigen.“ Jedes Projekt in der Branche brauche Fachwissen im Bereich der Dienstleistung, Digitalisierung und Energiewirtschaft. Somit sei dieses Studium perfekt.

Erfolgreich für Studiengang geworben
Heidemann und seine Kollegen starteten eine umfangreiche Recherche, an deren Ende sie tatsächlich bei der Dualen Hochschule Gera/Eisenach fündig wurden. Die erklärte sich bereit, die vorhandene Studienrichtung Dienstleistungsmanagement mit dem Wahlpflichtschwerpunkt Energiewirtschaft zu komplettieren – mit einer Mindestanzahl von zehn Studierenden. Das bedeutete für das Findungsteam um Heidemann: Werbung in der Kooperation Thüringer Netzbetreiber und darüber hinaus machen. Mit Erfolg: “Allein bei der SWE-Gruppe haben wir mit drei Studierenden einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen.“ Bedeutet: Die Studierenden erhalten monatlich eine Ausbildungsvergütung. Im Gegenzug besteht eine berechtigte Chance, dass die Studierenden nach ihrem Abschluss im Unternehmen einen Arbeitsvertrag unterschreiben.
Aus der Praxis in die Lehre
Darüber hinaus engagieren sich Heidemann und seine Kollegen aus der Energiewirtschaft auch für die fachliche Weiterqualifikation der Studierenden. “Ab dem dritten Semester stehen wir für verschiedene Themenmodule als Lehrbeauftragte zur Verfügung.“ Als Highlight bezeichnet Heidemann die Zusage der Vorsitzenden der Thüringer Landesregulierungsbehörde, die sich ebenfalls bereit erklärt hat, ihr Fachgebiet zu unterrichten. Heidemann beobachtet, dass die Stadtwerke Erfurt und die Netzgesellschaft wieder leichter Azubis und Dual-Studierende finden als noch vor Jahren. “Die jungen Menschen interessieren sich für den Wandel in der Energiewirtschaft und sehen darin eine interessante Aufgabe mit einer vielfältigen Perspektive.“