Über sieben Jahre hinweg wurden Daten zur Wasserstofftauglichkeit des Erdgasbestandsnetzes zusammengetragen. Jetzt steht das Ergebnis als Kompendium zur Verfügung, das alle weiteren Schritte der Gasnetztransformation unterstützt. Anna Lamorski war bei der Thüga als Projektleiterin zuständig und findet: Es gibt Herausforderungen, aber keine unlösbaren technischen Probleme.

Portrait Anna Lamorski
Anna Lamorski, Abteilung Technik bei Thüga

Sieben Jahre Arbeit liegen hinter Ihnen. Wie fühlt es sich an, wenn ein Projekt dieser Größenordnung abgeschlossen ist?

Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl. Wir haben mit dem Kompendium eine belastbare Wissensgrundlage geschaffen, auf die sich alle weiteren Schritte der Gasnetztransformation stützen können. Als wir angefangen haben, die verfügbaren Informationen zusammenzutragen, gab es kaum verlässliche Aussagen zur Beständigkeit der Infrastruktur bei Befüllung mit 100 Prozent Wasserstoff. Heute verfügen wir über ein umfassendes, systematisch geprüftes Bild.

Was war der Anlass für die Thüga, das Kompendium zu starten?

Ausgangspunkt war eine Studie des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW), die zeigte, dass der Einsatz von 100 Prozent Wasserstoff in bestehenden Gasnetzen für die Klimawende sinnvoll ist. E.ON und Thüga haben ihre zunächst unterschiedlichen Initiativen gebündelt, DBI Gas- und Umwelttechnik als wissenschaftlichen Partner gewonnen und ein gemeinsames Ziel formuliert – die technische Machbarkeit einer schrittweisen Umstellung auf Wasserstoff in drei Schritten zu prüfen: Bestandswissen erheben, Tauglichkeitssteckbriefe für die relevanten Produktgruppen erstellen und die wichtigsten offenen Fachfragen klären.

Wer soll das Kompendium vor allem nutzen?

Adressaten sind Verteilnetzbetreiber, die ihre Netze langfristig transformieren wollen. Unseren Partnerunternehmen stehen die Informationen zur Wasserstofftauglichkeit der einzelnen Netzkomponenten zur Verfügung. Die VerifHy-Datenbank ist das operative Werkzeug dafür, die Schnittstelle ist ein Webportal. Hier sind alle Informationen hinterlegt, um Netzkomponenten zu bewerten und konkrete Transformationsszenarien fundiert zu kalkulieren. Die Nutzungslizenzen dafür vergibt der DVGW.

Was hat die letzte Projektphase bestimmt?

Die sogenannten Folgeaktivitäten. Hier haben wir gezielt offene Fragen untersucht, die sich aus den ersten beiden Projektteilen ergeben haben. Dazu gehörten etwa Fragen nach der Eignung von Odoriermitteln und -anlagen sowie Atmungsventilen, nach der Dichtheit von Armaturen, nach der Anwendbarkeit von Sprays zur Lecksuche oder dem Einsatz von Vakuumpumpen. Die Ergebnisse sind durchweg positiv. Beispiel Dichtheitsuntersuchungen: Hier erwiesen sich die meisten Kugelhähne und Anbohrarmaturen als technisch dicht; eventuelle Leckagen sind sicher beherrschbar.

Was nehmen Sie aus der Beschäftigung mit dem Thema vor allem mit?

Trotz der umfangreichen Untersuchungen haben wir kein netzseitiges Hemmnis gefunden, das eine Umstellung auf Wasserstoff unmöglich macht. Es gibt Herausforderungen, aber keine unlösbaren technischen Probleme. Die zentrale Botschaft lautet also: alles machbar.

Wie war die Zusammenarbeit im Projekt?

Beteiligt waren unter anderem E.ON, Thüga, DBI und der DVGW. Die Kooperation war hervorragend, auch wenn die Rückmeldungen der Hersteller anfangs zögerlich kamen. Das ist verständlich, da viele bei der H2-Tauglichkeit Neuland betreten haben. An dieser Stelle vielen Dank für das Engagement aller Beteiligten!

Ihr persönliches Fazit?

Im Sinne der Energiewende wäre es ein schwerer Fehler, die bestehende Gasinfrastruktur nicht zu nutzen. Natürlich wird sich die Netzlandschaft verändern: Neubauten können für Wärmepumpen optimiert werden, Fernwärme gewinnt an Bedeutung. Aber der Gebäudebestand in Deutschland ist riesig – und hier bietet das bestehende Gasnetz genutzt mit klimaneutral erzeugtem Wasserstoff eine effiziente, wirtschaftlich sinnvolle Brücke in eine dekarbonisierte Zukunft.


VerifHy – H2-Daten für die Praxis

Dr.-Ing. Ralf Eckner, Betriebsingenieur, inetz: „VerifHy ist eine verlässliche Datenbasis, wenn es darum geht, ein bestehendes Gasnetz auf Wasserstofftauglichkeit zu prüfen. Für ein konkretes Projekt können wir unsere Komponentenlisten mit der Datenbank abgleichen und sofort sehen, wo nachgearbeitet werden muss. Auf dieser Basis lassen sich die Kosten eines Transformationsprojekts solide kalkulieren. Ohne VerifHy müsste jeder Netzbetreiber die Details zur Wasserstoffeignung von Materialien oder Baugruppen selbst erarbeiten. Für uns als Betreiber des größten Gasnetzes in Südsachsen ist VerifHy deshalb ein unverzichtbares Werkzeug.“

Das VNB-Kompendium – was ist das?

Das VNB-Kompendium bündelt den aktuellen Wissensstand zur Wasserstofftauglichkeit von Gasverteilnetzen. Grundlage sind Literaturauswertungen, Herstellerbefragungen und Laborprüfungen zu Komponenten wie Rohren, Armaturen, Odorierungs- und Messanlagen.

Träger des Projekts sind Thüga, E.ON und DBI Gas- und Umwelttechnik in Kooperation mit DVGW und vielen Netzbetreibern aus ganz Deutschland. Ziel sind verlässliche Fakten für den Transformationsprozess der deutschen Gasinfrastruktur.