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Bis vor Kurzem Ladenhüter unter den Energieprodukten, stehen Biogas und Biomethan im Zeichen eines möglichen Stopps der russischen Erdgaslieferungen im Fokus des allgemeinen Interesses. Von Biomethan spricht man, wenn Biogas nach der Aufbereitung die gleichen verbrennungstechnischen Eigenschaften wie Erdgas aufweist und ins Gasnetz eingespeist wird. Kann das regional erzeugte grüne Gas eine wichtige Rolle in unserer Energieversorgung spielen?
Es ist grün, wird regional erzeugt, kann flexibel eingesetzt und ins bestehende Gasnetz eingespeist werden: Biogas, oder nach der Aufbereitung Biomethan genannt, hat viele Vorteile. Weshalb Biomethan trotzdem bislang nur mit einem Prozent an der bundesdeutschen Gasversorgung beteiligt ist, hat einen guten Grund: Seine Herstellung war bislang nicht wirtschaftlich. Während herkömmliches Erdgas aus Russland in der Vergangenheit für etwa zwei Cent pro Kilowattstunde eingekauft wurde, kostete Biomethan sieben bis acht Cent.
„Doch die Zeichen haben sich geändert“, sagt Thomas Haupt, Leiter des Thüga-Kompetenzcenters Markt. Nicht nur die Kostenexplosion in den vergangenen Monaten macht Biomethan attraktiv – auch ein möglicher Stopp oder ein Embargo der russischen Erdgaslieferungen und der damit einhergehende Versorgungsengpass lassen Biomethan plötzlich in einem anderen Licht dastehen. „Die Diskussion um das Potenzial von Biomethan hat auch bei der Thüga begonnen“, so Dr. Arne Geiger, Leiter des Kompetenzteams Vertrieb & Marketing. „Aktuell sind wir dabei, die Situation zu analysieren und uns wieder das entsprechende Know-how anzueignen.“ Im Zuge von Thüga 2022 war die Kompetenz in Sachen Biogas in Konkurrenz zu anderen Themen abgebaut worden.
Und so sieht die momentane Situation aus: Rund 9.600 Biogasanlagen gibt es in Deutschland, aber nur 220 bis 240 davon speisen tatsächlich ins Gasnetz ein. „Alle anderen sind kleine und kleinste Anlagen, meist im landwirtschaftlichen Besitz, die mit dem Biogas direkt Strom erzeugen und für diesen, weil er grün ist, eine EEG-Förderung erhalten“, sagt Geiger. Das ist allerdings nur bedingt sinnvoll, da oftmals keine gleichzeitige Wärmeerzeugung stattfindet und wenn doch, dann oftmals nur der Kuhstall beheizt wird. Effektiver wäre es also, wenn über das Biomethan sowohl Strom als auch Wärme erzeugt würde. Das geht am besten, wenn es über das Gasnetz aufgenommen und verteilt wird.
In der Thüga-Gruppe ist es beispielsweise die Thüga Energie die in Kisslegg (Allgäu-Oberschwaben) eine Biogas-Aufbereitungsanlage betreibt und Biomethan ins Gasnetz einspeist. Dadurch werden rund 1.000 Einwohner:innen versorgt. Andere Partnerunternehmen wie erdgas schwaben, Energie Südbayern, Rhön Energie Fulda und die WEMAG haben zudem in der Vergangenheit Konzepte entwickelt, wie bestehende Biogasanlagen sinnvoll an das Gasnetz angeschlossen werden können, diese aber wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit in der Schublade verstaut. Haupt: „Jetzt holen diese Partnerunternehmen ihre früheren Pläne hervor und bringen diese auf den aktuellen Stand.“ Eins ist klar: Bevor mittel- oder langfristig über einen Zubau von Biogasanlagen nachgedacht wird, sollen kurzfristig die bereits bestehenden Anlagen, auch die kleineren, überprüft, hochgefahren und an das Gasnetz angeschlossen werden.
Haupt stellt eine Rechnung auf: „Über den Daumen gepeilt, haben wir 10.000 Biogasanlagen, die ungefähr hundert Terrawattstunden Biogas erzeugen. Allerdings werden nur zehn Prozent eingespeist, der Rest wird direkt vor Ort verstromt. Wenn es uns gelänge, die hundert Terrawattstunden komplett ins Netz einzuspeisen, könnten wir 20 bis 25 Prozent des russischen Erdgases mit unserem Biomethan ersetzen.“
Auch Markus Wörz, Leiter der Thüga-Stabsstelle Energiepolitik Deutschland, ist zuversichtlich, dass ein rascher Hochlauf von Biomethan möglich ist: „Die Bundesregierung hat die Bedeutung von Biomethan bei der Energieversorgung jetzt erkannt. Wenn sie sagt, lauft los, laufen wir los. Das ist eine Frage der Priorisierung und der verlässlichen Rahmenbedingungen.“ Benötigt würden dann Rohbiogas-Sammelleitungen, um aus den dezentralen Anlagen das Biogas zusammenzuführen. In zentralen Aufbereitungsanlagen würde dann das Biogas in Biomethan umgewandelt, sodass es dieselben Eigenschaften wie Erdgas hat.
„Wichtig wäre dann, dass Genehmigungsverfahren für diese Anlagen zügig über den Tisch gehen und potenzielle Kläger gegen Sammelleitungen diese Projekte nicht aufhalten können“, betont Larissa Schaible, Expertin für Biogas im Kompetenzteam Vertrieb/Marketing. Ein weiterer Punkt, der die Investitionssicherheit für die Betreiber von Biogasanlagen stärken würde: eine von der Politik abgesicherte Abnahmeverpflichtung.
Fazit: Biogas und die Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz sind wieder auf dem Tisch. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Noch hat die Politik kein Biomethan-Sprinter-Programm auf den Weg gebracht.
schwaben regenerativ will den Anteil an Biomethan im Gasnetz erhöhen.
Das Ziel der schwaben regenerativ ist klar: die Energiewende mit grünem Strom aus heimischer Wasserkraft und Wärme aus regenerativ erzeugtem Biogas voranbringen. Bereits vor drei Jahren hat das Unternehmen das Versorgungsgebiet gerastert, um herauszufinden, wie viele Biogansanlagen es überhaupt gibt und wie viel Gas man theoretisch durch Biogas ersetzen könnte, wenn man alle infrage kommenden Landwirte davon überzeugen könnte, dass sie sich zusammentun und gemeinsam ins Netz einspeisen. „Wir haben festgestellt, dass 703 Landwirte eine Biogansanlage betreiben und dass sich 17 Prozent des im Gasnetz befindlichen Erdgases durch Biogas ersetzen lassen“, sagt Christian Arlt. Aktuell kann der Leiter Erneuerbare Energien und Innovation bei schwaben regenerativ diese Daten gut gebrauchen. Denn er will möglichst viele dieser Landwirte für sein Vorhaben gewinnen. Das Ziel: mit ihrer Hilfe den Anteil fossiler Energien reduzieren und den Anteil an grünem Gas im Netz erhöhen. „Wir haben 70 Landwirte zu zwei Gesprächen via Teams eingeladen. Leider haben jeweils nur eine Handvoll Interessierte teilgenommen“, bedauert Arlt. Trotzdem lässt er nicht locker und besucht jene Landwirte auf ihrem Hof, die vertiefende Informationen haben wollen.
Die Situation im Versorgungsgebiet von erdgas schwaben ist stellvertretend für die Lage in fast allen Bundesländern: Die meisten Biogasanlagen sind sehr klein und verstromen in ihrem BHKW ihr Biogas. Gleichzeitig generieren sie mit der Trocknung von Holz- und Gärresten eine Pseudo-Wärmenutzung, sodass sie den KWK-Bonus nutzen können.
Arlt: „Um eine Aufbereitungsanlage wirtschaftlich zu betreiben, müsste man drei kleine Biogasanlagen zusammenlegen, weil die spezifischen Kosten der Aufbereitung mit der Menge des Rohgases sinken. Erst ab einer Rohgasmenge von 600 Kubikmetern pro Stunde lässt sich die Aufbereitung wirtschaftlich abbilden. Das schafft bei uns keine einzige Anlage allein.“ Auch wenn Gasqualität, Rohgasvergütung und Messung eine gewisse Herausforderung für sein Unternehmen darstellen würden, stehen diese bei einer Umsetzung nicht im Weg.
Arlt hofft, dass er die Landwirte, bei deren Biogasanlagen die EEG-Vergütung ausläuft oder das BHKW in die Jahre kommt, doch überzeugen kann, ohne viel Aufwand eine planbare, konstante Vergütung zu erhalten, wenn der Energieversorger ihnen das Rohgas abkauft. „Wer weiß, wie viele Landwirte unsere Info-Briefe wirklich gelesen und ihre Schlüsse daraus gezogen haben. Darum haken wir jetzt nach.“ Doch er bleibt realistisch: Den meisten Landwirten gehe es nicht um die regenerative Nutzung von Biogas oder die Unabhängigkeit vom russischen Erdgas, sondern darum, wie viel sie mit ihrer Anlage verdienen können. „Es ist kein Selbstläufer.“