von Arne Geiger, Leiter Thüga-Kompetenzteam Vertrieb & Marketing // erschienen im THEMEN!magazin, Ausgabe 4/2021

Das Rennen um die Kunden werden diejenigen machen, die die Kundenbedürfnisse am besten kennen und ihnen gerecht werden. Ist dabei die Digitalisierung alleine der Heilsbringer ? Dr. Arne Geiger, Leiter des Thüga-Kompetenzteams Vertrieb & Marketing, wirft in seinem Gastbeitrag einen Blick auf die Herausforderungen der Digitalisierung im Vertrieb.

Stadtwerke haben in der öffentlichen Wahrnehmung während der Pandemie durch ihr souveränes Krisenmanagement an Vertrauen und Wertschätzung gewonnen. Oft schnell entwickelte, digitale Alternativen zum Kundenschalter haben die Erreichbarkeit gewährleistet. Dadurch wurden zusätzlich neue, digital affine Kunden erreicht. Doch war das schon der große digitale Wurf? Was ist noch zu tun?

Druck auf Vertriebsmargen

Neben den Herausforderungen, vor die Corona die Energievertriebe gestellt hat, erlebt die Energiewirtschaft derzeit sprunghafte ordnungspolitische Veränderungen. Beispiel CO2-Bepreisung: Nach dem novellierten Brennstoffemissionshandelsgesetz kostet seit Januar 2021 jede Tonne CO2-Emissionen durch Erdgas und Heizöl 25 Euro, jährlich steigend. Um sinkenden Vertriebsmargen entgegenzuwirken, muss der Energieversorger diese Kosten an den Kunden weitergeben. Energievertriebe sollten ihre Kunden aktiv informieren und Vertragsoptimierungen vorschlagen, um eine positive Kundenbeziehung aufrechtzuerhalten. Und das Image von Gas stärken, indem die Zukunftsfähigkeit der Gasversorgung durch die einfache Einbindung von Biogas und erneuerbaren Gasen herausgestellt wird. Somit betonen sie das Potenzial von CO2 -Einsparungen von Erdgas gegenüber anderen fossilen Energieträgern.

Vergleichsportale locken

Gleichzeitig ködern Vergleichsportale die Kunden: Wechseln war angeblich nie einfacher. Insbesondere durch pandemiebedingte Kontaktbeschränkungen sind die Forderungen nach digitalen Angeboten weiter gestiegen. Rund 60 Prozent der Kunden von Stadtwerken erwarten eine automatisierte Interaktion und haben sich schon einmal auf einem Vergleichsportal informiert. Dabei gibt das Kundenbedürfnis nach Ersparnis nach wie vor den wichtigsten Wechselimpuls. Neben klassischen Vergleichsportalen drängen auch digitale Kostenoptimierer wie SwitchUp vermehrt auf den Markt.

Digitales Nutzererlebnis

Corona war ein Booster für die Digitalisierung. Die Anzahl digitaler Kundenkontaktpunkte nimmt auch bei kleinen und mittleren Versorgern zu und sie bieten mittlerweile Kommunikation über WhatsApp, Live-Chat und Videotelefonie an. Es geht aber nicht nur darum, digitale Kanäle anzubieten, sondern auch eine positive User Experience (UX) zu schaffen. Denn nur so sind Marketing- und Vertriebsziele zu erreichen. Nutzer sollten effektiv und effizient an ihre Ziele kommen und darüber hinaus Freude bei der Benutzung erleben. Inhalte müssen für User brauchbar und wertvoll sein, die Funktionen sowohl einfach zugänglich als auch intuitiv bedienbar.

Erfolgsfaktor Customer Experience

Energie gehört zu den Produkten, die sich nicht durch besondere Qualitätsunterschiede auszeichnen – sie ist ein Low Involvement-Produkt. Das macht den Wettbewerb um Kunden nicht einfacher. Wie also wechselwillige  Kunden an das Stadtwerk binden, wo doch das Start-up XY Energie günstiger anbietet? Neben dem Alleinstellungsmerkmal der Lokalität und der Nähe zu den Verbrauchern steht auf der Agenda: Positive Kundenerlebnisse generieren! Eine gute Customer Experience ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für Kundengewinnung und -bindung. Die Implementierung eines Kundenerlebnismanagements im gesamten Unternehmen sorgt für kundenzentriertes Arbeiten und damit für eine optimierte Kundenorientierung, also eine „360 Grad-Kundensicht“– über alle Kanäle hinweg.

Die Kundenbrille aufsetzen

Kundenzentrierung im Unternehmen sieht unser Thüga-Kompetenzteam Vertrieb & Marketing als strategisches Handlungsfeld. Dessen Bedeutung muss allen Mitarbeitern bewusst sein, denn: „Ein Kundenerlebnis umfasst alle Erfahrungen, die eine Kundin oder ein Kunde mit dem Unternehmen macht. Dabei wird nicht nach Fachbereichen unterschieden“. Die Kundenbedürfnisse müssen also vom gesamten Unternehmen wahrgenommen und erfüllt werden. Die Stadtwerke Pforzheim haben beispielsweise gemeinsam mit Thüga ein solches Customer Experience-Projekt umgesetzt und dabei 25 Kundenbotschafter in den Bereichen Netz, Vertrieb und Shared Services eingesetzt. Diese sorgen dafür, dass das gesamte Unternehmen die Kundenbrille aufsetzt – und auch aufbehält. Bei den Stadtwerken Pforzheim ist das Customer Experience-Management-Programm Teil der Weiterentwicklung der gesamten Organisation. Der Fokus auf Kundenzentrierung ist dabei ein Treiber für einen Kulturwandel im Unternehmen. Hin zu klaren Strukturen, flachen Hierarchien, digitalen Prozessen und vor allem zu einem gemeinsamen Selbstverständnis in der Belegschaft. Entscheidend für die Kundenzentrierung im Unternehmen ist, Silodenken zwischen den einzelnen Bereichen eines Versorgers aufzubrechen.

Thüga-Baukasten für Kundensicht

Um ganzheitliche Einblicke in Kundenbedürfnisse zu erhalten, hat das Thüga-Kompetenzteam ein entsprechendes Marktforschungsprogramm entwickelt, das aus mehreren Bausteinen besteht, die den Thüga-Partnerunternehmen im Paket oder auch einzeln zur Verfügung stehen. Zum Programm zählen:
Thüga-Frühwarnsystem:

Große Loyalitätsstudie exklusiv für Thüga-Partnerunternehmen. Per Befragung werden einmal jährlich Kundenloyalität, Image und Zufriedenheitswerte der Kunden mit Faktoren wie Preis, regionalem Engagement, Informationsangeboten und Zuverlässigkeit ermittelt. Daraus ergeben sich die Stellschrauben für einen möglichst hohen Grad an Kundenbindung.

Thüga KundenKontaktMonitor:

Das Kundenerlebnis wird direkt nach dem Kontaktereignis an einzelnen Kontaktpunkten entlang der Customer Journey erfasst. Darauf aufbauend können Maßnahmen erarbeitet werden, um die Kundenzufriedenheit an den Touchpoints zu steigern.

Thüga Remote Usability Tests:

Optimierung von digitalen Endkundenprozessen aus Nutzersicht. Nutzer werden live beobachtet, wie sie einen digitalen Service des Versorgers nutzen. Anschließendes Nutzerfeedback gibt Aufschluss darüber, wie sie die Website, die App oder das Kundenportal bewerten und wo sich Schwachstellen oder Exit Points befinden.

Wer den Kunden kennt, gewinnt

Die Nähe zum Verbraucher und das Engagement in der Region: Damit können Stadtwerke und Regionalversorger punkten. Sie sind der Garant für die Daseinsvorsorge. Dieses Alleinstellungsmerkmal „vor Ort“ gilt es nun digital umsetzen und dieses Bild noch zu erweitern. Zum Umsorger für das smarte Haus, zum Lösungsanbieter für die Smart City, zum Gestalter von Lebensräumen. Im Wettbewerb um Kunden werden nicht die Unternehmen bestehen, die 100 Prozent digital sind. Offline-Kanäle werden weiterhin nachgefragt und relevant sein. Interne Prozesse sollten allerdings weitestgehend digital ablaufen und die Kommunikation zwischen digitalen und analogen Kontaktpunkten sollte sichergestellt sein. Das Rennen um die Kunden werden diejenigen machen, die die Kundenbedürfnisse am besten kennen und ihnen gerecht werden. Dies ist eine Erfahrung des Thüga-Stadtwerkeverbundes, die wir gern weitergeben.