Seit gut zwei Jahren bietet die Thüga ihren Partner­unternehmen das Projekt Integrierte Netzstrategie Wasser an. Ziel ist es, das Ergebnis der Sparte Wasser zu verbessern und die Versorgungsaufgabe langfristig zu sichern. Das Besondere: Technische und kaufmännische Rahmenbedingungen werden gleichermaßen berücksichtigt.

Quizfrage: Was haben Gespräche zum Gehalt und zum Wasserpreis gemeinsam? Richtig: Über beide Themen redet man nicht gern. Den Grund für das Schweigen beim Wasserpreis erklärt Dr. Harald Pointner. Der Thüga-Mitarbeiter ist seit zwei Jahren Leiter des Projekts Integrierte Netzstrategie (INS) Wasser: „Der Wasserpreis ist, mehr noch als jener für Gas und Strom, ein politisches Thema, das Stimmung in der Öffentlichkeit macht. Amtsträger wollen während ihrer Legislaturperiode den Wasserpreis nur ungern erhöhen, weil sie befürchten, die Gunst ihrer Wähler zu verlieren.“ Diese Haltung schadet aber ihren Stadtwerken. „Viele Wasserversorger der Thüga-Gruppe haben das letzte Mal vor vielen Jahren ihren Wasserpreis erhöht“, betont Christian Beßer vom Thüga-Kompetenzteam Vertrieb & Marketing. Was weitreichende Folgen hat. Denn eine nachhaltige Instandhaltung der Wasserversorgung kostet Geld. Das muss erstens beim Partnerunternehmen vorhanden sein und zweitens klug investiert werden. Bei Letzterem greift das Projekt INS.

Anhängsel Wassersparte

56 Partnerunternehmen der Thüga sind Wasserversorger. „Bei vielen rangiert die Wassersparte als Anhängsel, das querfinanziert wird“, erklärt Pointner. „Es herrscht die Einstellung, dass Gas und Strom genügend abwerfen, sodass der Wasserpreis keine entscheidende Rolle beim Endergebnis des Unternehmens spielt. Diese Zeiten sind aber vorbei.“ Jetzt gilt es, Klartext zu reden. Das Thüga-Projekt INS hilft Partnerunternehmen dabei, die notwenige Transparenz zu bekommen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Pointner: „Sie erhalten wirtschaftliche und technische Kenntnisse über den Netzzustand und wie er sich in den kommenden 50 Jahren entwickelt.“ Außerdem wird die Differenz zwischen aktuellem und notwendigen Wasserpreis in der Zukunft errechnet. Neben der technischen und kaufmännischen Analyse steht bei einem INS-Projekt auch die Entwicklung von verschiedenen Szenarien im Mittelpunkt. „Diese veranschaulichen eindrucksvoll, welche Vorgehensweise für die Wasserversorger am besten ist“, erklärt der Netzstrategie-Experte der Thüga.

Augenöffner INS

Vorgestreckte Wasserleitung der Halberstadtwerke, 7. Bauabschnitt

Großprojekt der Halberstadtwerke: Erneuerung der Trinkwasserleitung

So eine Kurve zeigt etwa, wann und an welchen Leitungsabschnitten es sinnvoll ist, eine bestimmte Summe zu investieren, damit das vorhandene Netz möglichst lange seinen hohen Anforderungen gerecht bleibt. „Rohre haben eine Lebensdauer von bis zu hundert Jahren“, sagt Pointner. „Wir reden also über Investitionen, die über drei Generationen reichen.“ Der Blick in die Zukunft öffnet vielen Partnerunternehmen die Augen. Beispielsweise bei auffälligem Material: „Wir als Thüga bringen aus der Gruppe unsere Erfahrungen mit. Wir können fundiert prognostizieren, wie lange ein Material hält, das so und so viele Jahre alt ist, und wie viele Schäden dort auftauchen“, sagt Pointner. Diese Fakten unterstützen Techniker bei der Argumentation gegenüber Kaufleuten, dass sie zum Zeitpunkt X eine Summe Y benötigen, um punktuell dieses Material auszutauschen, weil sonst 20 Jahre später die Schäden aus dem Ruder laufen würden. Umgekehrt kann jedoch eine gewisse Schadensanzahl akzeptiert werden – um Investitionen einzusparen beziehungsweise zu strecken.

Eine Frage der Deckung

Investitionen ins Wassernetz müssen im Einklang zum Wasserpreis stehen. Übergreifendes Ziel ist es, einen Deckungsbeitrag von 100 Prozent zu erreichen. Pointner: „Das bedeutet, dass ich das Geld verdiene, das mir als Unternehmen für mein unternehmerisches Risiko zusteht.“ In der Thüga-Gruppe liegt die Deckung bei rund 90 Prozent mit Ausreißern nach oben und nach unten. Das ist nicht schlecht, aber nicht gut genug: „Vielen Partnerunternehmen ist es gar nicht bewusst, dass sie keine kostendeckenden Wasserpreise haben“, sagt Martin Gehringer vom Thüga-Kompetenzteam Vertrieb & Marketing. Fazit seiner Projekterfahrungen: Wasserversorger schauen sich oft nur die Gewinn- und Verlustrechnung an. Wenn darunter eine schwarze Null steht, sind sie oftmals zufrieden. Der Wasser-Experte gibt zu bedenken, dass damit nicht notwendigerweise eine kalkulatorische Deckung besteht. Eine kalkulatorische und nicht ausschließlich handelsrechtliche Betrachtung der Wasserpreise – bei der unter anderem auch eine angemessene Eigenkapitalverzinsung berücksichtigt wird – ist zwingend notwendig.
Standpunkt der Thüga-Wasserexperten: Es geht nicht darum, mit dem Lebensmittel Wasser unethische Gewinne zu erzielen. Es geht um die Entwicklung einer Investitionsstrategie, die auf eine Kostendeckung inklusive angemessener Eigenkapitalverzinsung für das Unternehmen abzielt. „Wir sprechen über viele Millionen Euro im Jahr. Je größer das Sachanlagevermögen ist, umso höher können die Verluste sein.“